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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
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Pfalzbezirk bestanden sogar aus Pflastersteinen.
    Der Tuchhändler, den Edgitha aufsuchen wollte, befand sich auf dem hinteren Teil des Platzes. Sie kannte ihn seit vielen Jahren und hatte seine Hilfe auch damals schon bei der Auswahl an edlen Stoffen für die Hochzeit ihrer Tochter Hemma, in Anspruch genommen. Jetzt ging es wieder um eine Hochzeit, und die zukünftige Braut trottete mit gesenktem Kopf wie damals ihre Mutter hinter Edgitha her.
    »Henrika, Liebes, mach nicht so ein Gesicht! Du hast selbst gesagt, dass dein zukünftiger Ehemann recht ansehnlich ist. Bei dem Händler dort hinten findest du bestimmt schöne Stoffe, die dir gefallen.« Sie riss Henrika aus ihren Gedanken, und die junge Frau folgte ihr schweigend.
    Eigentlich liebte Henrika die lebhafte Atmosphäre an diesem Ort, doch der Anlass ihres heutigen Besuches stimmte sie nicht sonderlich glücklich. Zumal die beiden Frauen bei ihrem Aufbruch Randolf getroffen hatten, dem ihre Großmutter zu allem Übel von ihrem Vorhaben erzählt hatte. Sollte Henrika sich einen netten Kommentar erhofft haben, so wurde sie enttäuscht, denn Randolf hatte sie nur mit eisigem Blick angesehen.
    »Edle Frau, edles Fräulein! Seht nur, welch kostbares Tuch ich hier für Euch habe! Nirgendwo sonst findet Ihr feinere Seide oder sattere Farben. Nehmt es ruhig in die Hand und seht selbst, dass ich die Wahrheit spreche.«
    Edgitha ließ die Finger über ein dunkelrot schimmerndes Seidentuch gleiten. »Ich nehme davon und natürlich noch von dem hellbraunen Leinentuch, das dahinten ausliegt.«
    Nach langen Jahren der Abgeschiedenheit hatte Edgitha zur Verwunderung aller beschlossen, ebenfalls an der Hochzeit teilzunehmen, und dazu benötigte sie nun ein neues Gewand.
    Eilfertig begann der Tuchhändler, ein dicker Mann mit spärlichem Haarkranz und verschwitztem Gesicht, die Wünsche seiner hochgestellten Kundin zu erfüllen.
    »Henrika, was meinst du, würde dir eine Kotte aus diesem sattgrünen Tuch gefallen? Nach der gelben wäre das sicher eine wünschenswerte Ergänzung. Findest du nicht auch, dass das Grün wundervoll zu deinen Augen passt?«
    Henrika warf einen kurzen Blick auf die Ware und nickte gleichgültig. »Wie Ihr meint, Großmutter.«
    Edgitha sah ihre Enkelin besorgt an, wie schon so oft in den letzten Tagen, sagte aber nichts. »Gib uns davon auch noch etwas und von dem rotbraunen Tuch aus Leinen ebenfalls«, sagte sie zu dem Händler.
    Nachdem sie dem äußerst erfreuten Mann ein paar Münzen in die Hand gedrückt hatte, gingen sie weiter. Geduldig wartete Henrika ab, bis Edgitha die Aufträge für ihren Schwiegersohn beim Kesselschmied erledigt hatte, die dort gleichermaßen für Entzücken sorgten. Beide Händler hatten zugesagt, die Waren zum Haus des Münzmeisters zu bringen, wo sie das restliche Geld erhalten sollten.
    Henrika verfolgte mit einiger Überraschung das für sie ungewohnte Verhalten ihrer Großmutter, und plötzlich kam ihr der Gedanke, dass sie es womöglich aus purer Absicht tat. Sozusagen in dem Versuch, die trübsinnige Stimmung ihrer Enkeltochter aufzuheitern.
    Sie wollten gerade den Rückweg antreten, als die junge Frau überrascht ausrief: »Seht nur, Großmutter! Dort hinten kommen zwei Wagen mit Spielleuten!«
    Neugierig gesellten sie sich zu den anderen Menschen, die die kleine Gruppe bestaunten. Ein höchstens zehnjähriger Junge mit rotbraunen Haaren schlug unter dem Beifall der begeisterten Menge ein Rad nach dem anderen. Dahinter folgten ein älterer Mann, der auf einer Schalmei spielte, und eine hübsche junge Frau mit langen schwarzen Haaren, die leichtfüßig dazu tanzte. Henrika starrte fasziniert auf die Darbietungen, während sich der Gesichtsausdruck Edgithas schlagartig verfinsterte. Als der Enkelin der plötzliche Stimmungswandel auffiel, hakte sie ihre Großmutter ein, und sie verließen die fröhliche Atmosphäre.
    Mittlerweile hatten sich viele Menschen zusammengefunden, die dem Treiben mit vergnügten Gesichtern zusahen, und fast hätte Henrika die beiden Männer übersehen, die ein wenig abseits und halb versteckt von einem der Wagen in eine Unterhaltung vertieft zusammensaßen. Sie kannte nur einen davon, und auf dessen Bekanntschaft hätte sie gerne verzichtet. Der andere machte keinen besonders angenehmen Eindruck. Obwohl nicht unbedingt von abstoßendem Äußeren, besaß sein Gesichtsausdruck etwas Verschlagenes, das nicht dazu einlud, seine Bekanntschaft zu machen. Während sein Gegenüber eindringlich

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