Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
Vom Netzwerk:
auf ihn einredete, strich er sich mit einer Hand die fettigen Haare aus dem Gesicht, und Henrika wandte ihren Blick erschrocken ab. Dort, wo sich eigentlich das Ohr befinden sollte, stach ihr eine hässliche, schlecht verheilte Narbe ins Auge.
    Hastig drängte die junge Frau ihre Großmutter weiter, und als sie endlich die Menschenmenge hinter sich gelassen hatten, fiel ihr mit einem Mal wieder die jähe Veränderung Edgithas ein.
    »Was ist mit Euch? Fühlt Ihr Euch nicht wohl?«, fragte sie vorsichtig.
    Ihre Großmutter blieb stehen, und der verschlossene Ausdruck verwandelte sich in Wehmut. »Es ist alles gut, mein Kind. Als die Spielleute plötzlich aufgetaucht sind, ist mir bloß wieder etwas in den Sinn gekommen, was ich eigentlich schon lange vergessen hatte.«
    »Wenn Euch die Erinnerung zu sehr schmerzt, dann müsst Ihr nichts darüber erzählen«, meinte Henrika leise.
    Edgitha schüttelte den Kopf. »Nein, nein, es war nichts Besonderes. Aber seltsam ist die Ähnlichkeit schon, denn vor vielen Jahren, als ich mit deiner Mutter hier war, um für ihre Hochzeit einzukaufen, kamen ebenfalls Spielleute vorbei. Ich hatte damals den glorreichen Einfall, ein Fest auf unserem Hof zu veranstalten, und habe die Musikantengruppe vom Fleck weg dafür engagiert. Deinem Großvater tat die Abwechslung gut, hatte er doch zu der Zeit furchtbar viel mit den Vorbereitungen für den großen Hoftag zu tun. Und deine Mutter hat es ebenfalls von ihren trüben Gedanken abgelenkt. Allerdings mussten wir damals nicht zu Fuß gehen, sondern konnten mit dem Wagen deines Großvaters fahren«, beendete sie schmunzelnd ihre Ausführungen.
    Henrika lächelte ein wenig zerstreut, denn nach allem, was sie über ihre Mutter erfahren hatte, war sie sicher, dass nichts auf der Welt sie von ihrer Traurigkeit abgelenkt hätte.
    Der Vorfall auf dem Markt lag schon einige Tage zurück, als Henrika mit bangem Gefühl aus dem Fenster blickte und noch immer das gleiche Bild vor Augen hatte wie nun schon seit zwei Stunden. So lange warteten die Männer inzwischen vor der würdigen Pfalz auf Einlass, ohne dass er ihnen gewährt wurde.
    Ein energisches Klopfen an der Verbindungstür zumZimmer ihres Vaters ließ sie zusammenfahren. Überrascht sah sie ihren zukünftigen Gemahl an, der nach ihrer Aufforderung den kleinen Raum in Begleitung ihres Vaters betrat.
    »Henrika, Liebes, Graf Kuno hätte gerne ein paar Sätze mit dir gesprochen.« Damit wandte der Münzmeister sich dem Besucher zu und mahnte: »Ich lasse die Tür einen Spaltbreit offen.«
    Kaum war er verschwunden, näherte sich der junge Mann langsam und blieb kurz vor seiner zukünftigen Braut stehen. »Verzeiht, dass ich einfach so unangemeldet hier auftauche, aber die momentane Situation macht ein dringendes Handeln meinerseits erforderlich. Ich werde heute noch Goslar verlassen, und wie ich sehe, muss ich meine Gründe nicht näher ausführen.« Dabei wies er mit einer Hand in Richtung der wartenden sächsischen Adeligen, unter denen sich auch Graf Otto als ihr Wortführer befand. »Mein Vater wartet nun schon eine ganze Weile darauf, beim König vorgelassen zu werden. Die Lage ist mehr als demütigend und nicht hinnehmbar!«, fuhr er aufgebracht fort. »Ich habe meinem Vater bereits klarzumachen versucht, dass des Königs Verhalten einer Abfuhr sondergleichen nahekommt, doch er wollte noch eine Weile ausharren. Sobald er sich endlich dazu entschließt, nicht mehr auf die Gnade des Königs zu warten, werde ich ihn nach Hause begleiten.« Kuno atmete schwer, und es war offensichtlich, dass er Mühe hatte, nicht völlig aus der Haut zu fahren.
    Henrika wusste nicht genau, ob er eine Antwort von ihr erwartete, folgte dann aber ihrem Gefühl. »Es tut mir aufrichtig leid, Euer Durchlaucht, und ich verstehe Eure Verbitterung. Selbstverständlich ist Euer Platz nun an der Seite Eures Vaters.«
    Henrika wusste nicht, ob ihre mitfühlenden und aufrichtiggemeinten Worte dazu führten, dass der junge Mann plötzlich auf die Knie fiel und zu ihrem Leidwesen ihre Hand ergriff, um sie an seine Lippen zu führen. Der gehauchte Kuss war nicht unangenehm, doch die ganze Situation erinnerte sie zu sehr an ihr Zusammentreffen mit Dietbert von Hanenstein.
    »Bitte lasst das und erhebt Euch! Vor mir müsst Ihr bestimmt nicht knien, Ihr bringt mich nur in Verlegenheit.«
    »Wenn ich dafür die Antwort höre, die ich mir zu hoffen erwage, dann rutsche ich gerne vor Euch in dem tiefsten Schlamm, den Ihr Euch

Weitere Kostenlose Bücher