Die Tochter des Münzmeisters
verantwortlich. Nach seiner Behauptung, der Northeimer habe ihn mit der Ermordung des Königs beauftragt, hatte Heinrich ein Gottesurteil gefordert, was der im Rang deutlich über Egeno stehende Graf Otto beleidigt abgelehnt hatte. Daraufhin hatte der König ihn mit dem Bann belegt, und sein Abstieg war eingeläutet.
»Er ist hier? Verdammt, die letzten drei Jahre haben wir ihn gesucht, und jetzt taucht er einfach hier auf? Wo habt Ihr ihn gesehen?«
»Das ist im Moment unwichtig, denn ich hege den begründeten Verdacht, dass gegen Euren Vater üble Intrigen im Gange sind, denen er sich nur entziehen kann, wenn er diesen Ort verlässt«, erwiderte Randolf ausweichend. Ohne Beweise konnte und wollte er den Namen Dietberts nicht ins Spiel bringen. Als enger Vertrauter des Königs sah er es als seine Pflicht an, alle Personen in dessen Umfeld genauestens zu beobachten. Dietbert von Hanenstein musste seiner Meinung nach einer besonderen Beobachtung unterzogen werden, und er hatte recht behalten, als seine Quellen ihm von dessen geheimen Treffen mit Egeno berichtet hatten, die Randolf seitdem keine Ruhe ließen.
»Wieso sollte ich Euren Worten Glauben schenken?«, wollte Kuno wissen, um dessen Zufriedenheit es nun vollends geschehen war. »Ihr seid einer der engsten Vertrauten des Königs! Was könnte Euch daran liegen, meinen Vater zu warnen oder ihm eine weitere Demütigung zu ersparen? Woher wisst Ihr überhaupt, ob es tatsächlich Egeno war? Habt Ihr ihn mit eigenen Augen gesehen?«
»Ich bin Egeno das letzte Mal begegnet, als er beim König seine Anschuldigungen gegenüber Eurem Vater aussprach. Doch mein Bote hat ihn mir zuverlässig beschrieben,und ich glaube nicht, dass es so viele Männer gibt, die anstelle eines linken Ohres eine wulstige Narbe haben«, entgegnete Randolf nun ebenfalls aufgebracht.
»Ich glaube Euch erst, wenn Ihr ihn mir herbringt, und bis dahin …«
»Glaubt Ihr denn meinem Wort, wenn ich Euch sage, dass ich den Mann ebenfalls gesehen habe?«, unterbrach Henrika ihn zögernd. Sie hatte bereits seit ein paar Minuten an der Tür zum Garten gewartet und der erregten Unterhaltung gelauscht. Nun machte sie einen Schritt auf die beiden Männer zu, von denen jeder sie auf seine Weise ungläubig betrachtete.
»Ihr habt den Mann gesehen? Wie könnt Ihr Euch da sicher sein? Kennt Ihr ihn etwa?«, brachte Kuno mühsam hervor, während Randolf Henrika abwartend beobachtete.
»Nein, natürlich kenne ich ihn nicht. Aber als ich neulich mit meiner Großmutter beim Tuchhändler auf dem Markt war, da habe ich diesen Mann zusammen mit …«, Henrika stockte, als sie Randolfs warnenden Blick auffing. »Ich wollte sagen, er hat sich mit jemandem unterhalten, und da habe ich die Narbe bemerkt, die Herr Randolf gerade beschrieben hat.«
»Kanntet Ihr den anderen Mann?«, fragte der junge Graf gespannt und verzog enttäuscht das Gesicht, als Henrika verneinte.
»Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich meine, mich zu erinnern, dass der Mann einmal dem Gefolge Eures Vaters angehört hat.«
Kuno wurde noch eine Spur blasser.
Randolf ergriff erneut die Gelegenheit, um ihn doch noch zu überzeugen. »Ich gebe Euch mein Wort, dass ich Egeno von Konradsburg festsetzen werde, sobald es mirmöglich ist«, drängte er und atmete erleichtert auf, als Graf Kuno zögernd seine Zustimmung gab.
Nachdem der Sohn des Northeimers sich mit einem sehnsüchtigen Blick von Henrika verabschiedet hatte, nickte er Randolf kurz zu und verließ das Haus. Die junge Frau war unglaublich froh darüber, dass er seine Bitte von vorhin darüber offenbar völlig vergessen hatte.
Allein mit Randolf fühlte sie sich auf einmal unwohl. Sie murmelte eine fadenscheinige Entschuldigung und wollte zurück ins Haus huschen, doch der Ritter hielt sie zurück.
»Danke«, sagte er schlicht, ohne sie loszulassen.
Beklommen nickte Henrika und hob einen Arm. »Ich habe nur die Wahrheit gesagt. Würdet Ihr mich jetzt freundlicherweise loslassen?«
Als er ihrer Bitte prompt nachkam, empfand sie fast so etwas wie Enttäuschung, und die Stelle, an der seine Hand ihre Haut bedeckt hatte, fühlte sich unangenehm kühl an.
»Wieso sollte ich Dietbert von Hanenstein nicht erwähnen?«
»Solange ich keine stichhaltigen Beweise gegen ihn habe, will ich ihn nicht anklagen. Eine Unterhaltung mit einem erwiesenen Lügner, dessen Charakter durchaus als sehr unmoralisch bezeichnet werden kann, reicht hier leider nicht aus.«
Henrika nickte nachdenklich.
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