Die Tochter des Münzmeisters
niedergeschlagen.
Henrika schämte sich insgeheim, dass das traurige Eingeständnis ihr Herz schneller schlagen ließ, und versuchte Betlindis aufzumuntern. »Er sorgt sich eben um dich! Freu dich darüber, andere Männer wären bestimmt nicht so rücksichtsvoll, wenn es um die Durchsetzung ihrer ehelichen Rechte geht.«
»Du weißt ja nicht, wie sehr es mir fehlt, in seinen Armen zu liegen. Woher auch, du musst erst noch erfahren, was es heißt, sich völlig in einem Menschen zu verlieren«, entgegnete Betlindis heftig. Im nächsten Augenblick schien ihr jedoch aufzugehen, dass Henrika es nur gut gemeint hatte, und sie errötete leicht. »Aber es ist lieb von dir, dass du dich um Herwin kümmern willst. Er wollte zu den Pferden, dort treibt er sich ja am liebsten herum, wie du weißt«, versuchte sie die Vorwürfe abzumildern.
Henrika war froh, dem Raum entfliehen zu können, denn einerseits hatten die Worte ihrer Freundin sie schwer getroffen, andererseits fühlte sie sich seit dem Vorfall auf Goswins zerstörtem Hof in Betlindis’ Gegenwart noch schlechter als vorher.
Der Platz vor der Pfalz war fast menschenleer, denn durch das ergebnislose Warten der sächsischen Fürsten war die Spannung in den letzten Stunden für alle fast greifbar geworden, und so eilte die junge Frau hastig zum Stall. Hier waren nicht nur die Pferde des Königsuntergebracht, sondern auch die seiner hohen Gäste und engsten Vertrauten. Sofort entdeckte sie Randolfs edlen Hengst, der ungeduldig wieherte, da er wahrscheinlich auf seinen Reiter wartete. Armes Tier, dachte sie mitfühlend, du bist nicht das einzige Wesen hier, das ihn vermisst. Am Ende des Stalles fand sie Herwin auf einem Strohballen, wie so oft in eine Schnitzarbeit vertieft.
»Na, du Schlingel, ich fürchte, so langsam bist du besser als ich, was die Feinheiten betrifft«, bemerkte sie anerkennend und wurde dafür mit einem glücklichen Strahlen belohnt. Sie setzte sich zu dem Jungen und sah ihm eine Weile zu. Gerade als sie ihn zum Gehen auffordern wollte, hörte sie vom Eingang her eine bekannte Stimme, und schlagartig hatte sie wieder die Szene am Marktplatz vor Augen.
»Ich will in zwei Stunden ausreiten. Sieh zu, dass mein Pferd dann gesattelt ist. Und jetzt bringst du das hier schnell zu dem Mann mit dem braunen Umhang, der sich dort oben mit dem anderen unterhält, aber zackig!«, herrschte Dietbert von Hanenstein einen der Pferdepfleger an, wie Henrika nach einem schnellen Blick erkennen konnte.
Beunruhigt wich sie zurück, denn Dietbert blieb am Eingang stehen, nachdem der Junge verschwunden war, und schien auf jemanden zu warten. Die Holzwand bot ihr und Herwin eine gute Deckung, andererseits konnte sie nur hoffen, dass der ungebetene Besucher sich weiterhin im Bereich des Eingangs aufhielt.
»Na endlich, wo warst du denn die ganze Zeit?«
Henrika lugte nach dieser groben Zurechtweisung vorsichtig um die Wand herum und entdeckte einen weiteren Mann, den sie allerdings noch nie zuvor gesehen hatte.
»Schau mal«, sagte Herwin in dem Moment und hielt ihr seine fast fertige Kuh vors Gesicht.
Schnell presste Henrika den Zeigefinger an die Lippen und zog den beleidigten Jungen zu sich heran. Ihr schneller Atem ging flach, als sie lauschte, ob sich Schritte näherten. Doch alles blieb still, und auch die beiden Männer sprachen kein Wort miteinander.
»War da eben was?«, fragte die unbekannte Stimme misstrauisch.
»Ach was, du hörst schon Gespenster! Hast du jemanden gefunden, dem du vertrauen kannst?«, erklang Dietberts Stimme ungeduldig.
Das darauffolgende Gemurmel konnte Henrika nur bruchstückhaft verstehen, daher drückte sie sich dichter an die dünne Holzwand heran. Zum Glück verhielt sich Herwin in ihrem Arm weiterhin ruhig.
»Es muss schnell geschehen, wer weiß, wie lange die hohen Herren dort oben noch warten. In spätestens einer Stunde musst du am vereinbarten Treffpunkt sein, damit du im richtigen Augenblick zuschlagen kannst«, mahnte Dietbert.
»Zuschlagen! Was für ein treffender Ausdruck!«, kam die spöttische Antwort.
Da fiel dem Jungen die unfertige Holzkuh aus den Händen und landete mit einem dumpfen Ton auf dem strohbedeckten Boden. Henrika hielt unwillkürlich die Luft an und lauschte mit klopfendem Herzen. Als sich langsam schwere Schritte näherten, hielt sie verzweifelt nach einem Versteck Ausschau.
17. KAPITEL
M isstrauisch behielt Randolf den verhassten Dietbert im Auge, der direkt vor dem König stand und auf eine
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