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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
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Guntram verliebt, das hatte Henrika gleich zu Anfang zufällig bei ihren vorsichtigen Erkundigungen nach Guntrams Verbleib herausgefunden. Da die junge Magd von dem Vorhaben des Bauern wusste, hoffte sie auf den Einfluss Henrikas, nachdem ihre eigenen Überredungskünste bisher nicht auf fruchtbaren Boden gefallen waren. Henrikas ehrliches Entsetzen über den irrsinnigenPlan gab bei Irmingard den Ausschlag, die junge Frau zu Guntrams Versteck zu führen.
    Der weitere Abstieg hinunter zur Siedlung am Fuße des Burgberges verlief ohne Probleme, und Irmingard führte ihre Begleiterin schnurstracks zu einem größeren Hof, der in etwa dem ihres Onkels glich. Vor dem Brand, dachte Henrika bitter und hielt sich hinter der jungen Magd, die mit der Bäuerin leise ein paar Worte wechselte.
    Die große, hagere Frau warf Henrika misstrauische Blicke zu und schüttelte mehrmals den Kopf, während Irmingard ununterbrochen auf sie einredete. Schließlich seufzte sie ergeben und sagte ohne Umschweife: »Woher wollt Ihr Guntram kennen?«
    Als Henrika ihr freundlich erklärte, dass er bei ihrem Vater, dem Münzmeister von Goslar, gearbeitet hatte, hellte sich die Miene der Frau auf, und sie entschuldigte sich verlegen für ihren anfänglichen Argwohn. Dann rief sie mit einer Stimme, die keine Widerrede duldete, einen Jungen von ungefähr zehn Jahren heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    So ganz traut sie mir wohl doch noch nicht, dachte Henrika schmunzelnd und nahm dankbar den Becher mit frischem Wasser entgegen, den die Frau ihr überreichte. Anschließend ging sie mit der Entschuldigung nach draußen, dass sie sich um die Tiere kümmern müsse. Irmingard folgte ihr, denn für den Rückweg benötigten sie Eier und Bohnen, zudem musste sie dafür sorgen, dass am nächsten Tag eine Lieferung mit mehreren Getreidesäcken zur Burg gebracht wurde.
    Henrika wartete eine Zeitlang alleine in dem schmutzigen Raum, welcher der gesamten Familie als Unterkunft diente, und ließ vor Schreck fast den Becher mit Wasser fallen, als jemand sie am Ärmel zupfte.
    »Du sollst mitkommen, hat der große blonde Mann gesagt«, flüsterte der Junge von vorhin ihr leise ins Ohr, und ohne zu zögern folgte sie ihm.
    Nach einem kurzen Fußmarsch, der sie am Burgberg vorbei in den schattigen Wald führte, erreichte sie schließlich Guntrams Versteck. Mit Hilfe von mehreren dicht belaubten Zweigen hatte er sich eine kleine Hütte errichtet, an der Henrika mit Sicherheit vorbeigelaufen wäre. Zu ihrer großen Erleichterung ging es dem ehemaligen Arbeiter ihres Vaters gesundheitlich gut, denn zu dieser Jahreszeit musste niemand großen Hunger leiden. Sie hockte sich zu ihm auf eine Decke, die er ausgebreitet hatte, doch ihre Unterhaltung kam nach ein paar Minuten ins Stocken. Daher nutzte sie die Gelegenheit, griff in den kleinen Stoffbeutel, den sie sich umgehängt hatte, und reichte ihm zwei Münzen.
    »Wofür? Ich brauche kein Geld von Euch, die Bewohner der Siedlung helfen mir, und bald kommt das Heer, dann ist die Zeit des Versteckens sowieso vorbei«, wies Guntram entrüstet die Gabe von sich.
    Bevor Henrika überlegte, wie sie ihn doch zur Annahme überreden und nach einer Möglichkeit suchen konnte, ihn auf seinen törichten Plan anzusprechen, ertönten aus der Ferne Jubelrufe und das Tuten von Hörnern, gemischt mit einem anfänglich leisen Donnern, das sich bald steigerte. Es klang wie unzählige Füße und Hufe.
    Guntram sprang auf und rief begeistert: »Sie kommen! Endlich!«
    Henrika vergaß darüber ihr eigentliches Anliegen und dachte angstvoll daran, wie sie nun wieder in die Burg gelangen sollte, jetzt, da die Belagerung an ihrem Anfang stand.
    Der gleiche Gedanke schien dem Bauern gekommen zu sein, denn sein freudiger Gesichtsausdruck schwand,und er sah nachdenklich auf sie hinunter. »Der Weg zur Burg ist Euch jetzt versperrt, und wir müssen uns etwas anderes überlegen. Bis dahin werde ich Euch bei den Eltern von Irmingard verstecken«, entschied er nach kurzem Zögern und forderte sie auf, sich zu erheben.
    Dann griff er nach der Decke, faltete sie zusammen und machte sich auf den Weg zurück zur Siedlung, gefolgt von der bangen Henrika.
    Das imposante Schauspiel, das sich ihnen darbot, nachdem sie den Wald verlassen hatten und das Tal vor ihnen lag, verschlug beiden die Sprache. Völlig überwältigt von der Größe des kriegerischen Heeres näherten sie sich langsam den Behausungen und Ställen und gelangten unbehelligt in das Haus der

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