Die Tochter des Münzmeisters
hättet, dann wären wir uns auch öfter begegnet. Ich nehme an, dass Euch der Grund für meine Abwesenheit während dieser Festlichkeit bekannt ist.«
Bevor der Ritter antworten konnte, griff Goswin ein. »Zumal der Hof unseres lieben Freundes keine drei Stunden Fußmarsch von unserem Haus entfernt liegt!«
Henrika starrte Randolf an, der den Blick noch immer nicht von ihr abwenden konnte.
»Das wusste ich nicht«, murmelte sie und wandte sich mit einer leise vorgebrachten Entschuldigung wieder ihrem Vetter zu, der sich in der Zwischenzeit mit dem restlichen Gerstenbrei vollgekleckert hatte.
Jetzt erst schien Randolf bewusst zu werden, dass er seit ein paar Minuten unentwegt die Nichte seines Freundes anstarrte, und er räusperte sich umständlich. In dem Augenblick wurde die Tür aufgerissen, und ein Mädchen in Henrikas Alter kam hineingestürmt. Als sie die beiden fremden Männer bemerkte, blieb sie abrupt stehen und knickste mit einem charmanten Lächeln.
»Fräulein Gunhild, ich hatte Euch schon vermisst!«, begrüßte Randolf die erhitzt wirkende junge Frau mit den dunklen Haaren.
Er war offensichtlich froh darüber, von seinem unangemessenen Benehmen Henrika gegenüber ablenken zu können und stellte ihr Folkmar vor. Diesem erging es nun wie seinem Freund wenige Minuten vorher, denn er brachte lediglich eine stotternde Begrüßung zustande. Gunhild schien die Bewunderung des jungen Mannes im Gegensatz zu Henrika zu genießen, denn sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
Mathilda rettete schließlich die Situation, indem sie nach dem Arm ihrer Tochter griff und sie zu sich heranzog.
»Herr Folkmar, das ist meine älteste Tochter Gunhild. Sie war mit einem der Knechte im Ort und hat ein Huhn verkauft«, erklärte sie dem jungen Begleiter Randolfs. Dann wandte sie sich an das dunkelhaarige, hübsche Mädchen und wies es mit scharfen Worten an, die Münzen sofort Goswin auszuhändigen.
Das strahlende Lächeln verschwand, und mit mürrischer Miene überreichte Gunhild dem Vater zwei Münzen. Anschließend ging sie zum Tisch, nahm die zwischenzeitlich geleerte Schüssel ihres kleinen Bruders an sich und trug sie in eine große Holzwanne, die auf dem Boden unter einem der Fenster stand. Als sie sich leicht seitlich beugte, wurde ein seltsam geformter Leberfleck an ihrem Hals sichtbar, etwa in der Größe der Fingerkuppe eines kleinen Fingers, der wie ein Schmetterling aussah.
Vom Stall, der nur durch eine Holzwand vom Wohnraum getrennt war, ertönte das Meckern der Ziegen, und damit löste sich die angespannte Stille. Bei der gemeinsamen Mahlzeit herrschte dann eine gelöste Atmosphäre, wenn auch nicht bei allen Anwesenden am Tisch. Vor allem die Kinder Goswins und Mathildas, zu denen außer der kleinen Adelheidis und Esiko noch diefünfjährige Hiltrud gehörte, sorgten für viel Gelächter beim und nach dem Essen.
Als mit Einbruch der Dunkelheit die Kleinen schließlich auf ihren Strohlagern lagen und Mathilda mit Hilfe der beiden älteren Mädchen den Abwasch erledigt hatte, entschuldigten sich auch die weiblichen Mitglieder der Familie und begaben sich zur Ruhe. Goswin hatte den hinteren Teil des großen Wohnraumes mit einer halbhohen Holzwand abgetrennt, hinter der das elterliche Bett stand. Henrika teilte sich das Lager mit Gunhild, und den beiden Besuchern hatte der Hausherr einen Platz bei der Tür zugewiesen, den sie jedoch dankend ablehnten. In Anbetracht der warmen Nacht zogen sie es vor, draußen zu schlafen.
Folkmar, der sich kaum an den Gesprächen beteiligt und immer wieder verstohlene Blicke in Richtung Gunhild geworfen hatte, zog sich ebenfalls gleich danach zurück, so dass Randolf Goswin noch um ein Gespräch unter vier Augen bat. Da der einzige ungestörte Platz bei den Tieren war, gingen sie in den Stall. Der warme Geruch des Strohs vermischte sich mit dem der Tiere, denn zu den drei Ziegen gesellten sich eine Kuh für die tägliche Milch, ein Ochse für die Arbeit auf dem Feld und zwei Pferde, wobei eines davon Henrika gehörte. Das andere Ross war das einzige Zugeständnis Goswins an sein früheres Leben.
Goswin ging es gut, denn er lebte als freier Mann auf seinem eigenen Grund und Boden. Er hatte sich vor einigen Jahren die Pfründe als Wohnsitz ausgewählt, die sein Vater dereinst von seinem vor vielen Jahren bei Palitha ermordeten Lehrmeister, dem Bruder des Erzbischofs, erhalten hatte. Das Haus hatten er und Mathilda mit ihren eigenen Händen erbaut, und den Acker
Weitere Kostenlose Bücher