Die Tochter des Münzmeisters
den Blick offen erwiderte. »Wie geht es eigentlich deiner Frau?«
Innerlich verfluchte Randolf seine offensichtliche Bewunderung für Henrika bei der Begrüßung, denn er vermutete darin den Grund für den unvermittelten Themenwechsel, und berichtete von dem kürzlich erlittenen Verlust. »Sie ist immer noch sehr schwach und muss sich schonen. Vielleicht werde ich auf dem Rückweg nach Goslar einen kleinen Halt zu Hause einlegen.«
Goswin nickte mitfühlend, denn auch Mathilda hatte bereits eine Totgeburt hinter sich, und er wusste, welche Schmerzen ein solcher Verlust verursachte.
Eine Weile tauschten die beiden noch Neuigkeiten aus, vor allem über die angespannte Lage zwischen dem Königund den sächsischen Fürsten, dann trennten sie sich. Während Goswin ins Haus ging, legte Randolf sich auf seine Decke nieder und starrte zum Mond hinauf, der voll und hell über ihm am sternenklaren Himmel stand. Seine Gedanken wanderten neun Jahre zurück, zum Pfingstfest in der Stiftskirche St. Simon und Judas zu Goslar.
Der blutige Kampf, der an diesem Feiertag in dem Gotteshaus ausgebrochen war, hatte eigentlich schon an Weihnachten im Jahr zuvor begonnen, also im Jahr des Herrn 1062. Wie so oft lag die Ursache dafür in einer Lappalie, und zwar in der Sitzordnung der Bischöfe. Bei diesen »Sesselstreitigkeiten« ging es darum, wer näher beim König sitzen durfte, denn wer nahe am Herrscher platziert war, dessen Macht war groß. Noch nie zuvor hatte ein Rangstreit ein derartiges Blutbad zur Folge gehabt wie in diesem Fall, bei dem es um eine Auseinandersetzung zwischen dem Fuldaer Abt Widerad und Bischof Hezilo von Hildesheim ging.
Bei ihrem ersten hitzigen Wortgefecht konnte noch geschlichtet werden, und zwar von niemand anderem als dem damaligen Herzog von Baiern, Otto von Northeim, dem der König Jahre später den Titel und Teile seiner Güter aberkennen sollte.
Pfingsten im Jahr darauf verhielt sich die ganze Sache deutlich schwieriger, denn obwohl Abt Widerad in der Rangfolge unter dem Bischof stand, beanspruchte er erneut einen Platz nahe beim König und neben dem Erzbischof von Mainz, zu dem das Kloster Fulda langjährige und gute Beziehungen pflegte. Der Bischof sah die Sache deutlich anders, und es kam, wie es kommen musste. Am siebenten Tag des Monats Juni, der als Hoftag proklamiert war, entbrannte der Streit erneut. Diesmal hatte der Hildesheimer Bischof Hezilo vorgesorgt, die Niederlage an Weihnachten war nun mal unvergessen, daher rechnete er zu Recht mit weiterem Hader.
Hinter dem Altar verbargen sich kampfbereite Männer unter der Führung des Grafen Ekbert von Braunschweig, einem Vetter des Königs, der an dessen Entführung ebenfalls beteiligt gewesen war und Heinrich aus dem Rhein gerettet hatte.
Als nun der Streit vollends entbrannte und nicht nur mit Worten, sondern mit Fäusten ausgetragen wurde, stürzten sich die Männer Ekberts in den Tumult und schlugen mit Knüppeln auf die Fuldaer ein. Dank des Überraschungsangriffs gelang es den Hildesheimern, ihre Gegner aus der Stiftskirche zu verjagen.
Randolf schloss die Augen, um die schrecklichen Bilder der Ereignisse aus seinem Kopf zu vertreiben, doch wie immer gelang es ihm nicht.
Die Fuldaer scharten sich zu einer kampfbereiten Meute zusammen und stürmten erneut die Kirche, unter ihnen zwei alte Bekannte Randolfs und Goswins, die sich ebenfalls in dem Gotteshaus befanden. Doch Randolf hatte seine gesamte Aufmerksamkeit auf den jungen König gerichtet, für dessen Sicherheit auch er verantwortlich war, und der junge Priester Goswin, der noch immer wie vom Donner gerührt das Handgemenge verfolgte, befand sich bei seinem Probst.
Die beiden bewaffneten Gruppen prallten mit Schwertern aufeinander, und eine hitzige Schlacht entbrannte. Randolf hörte die Anfeuerungsrufe des Bischofs von seinem erhöhten Podest aus, während er alle, die auch nur in die Nähe des zwölfjährigen Königs kamen, sofort abwehrte. Dabei verlor er Goswin zeitweilig aus den Augen. Heinrich, der ohne jeden Erfolg die kämpfende Meute beschwor, sofort mit dem Gemetzel aufzuhören, gab irgendwann dem Drängen seiner Gefolgsleute nach und ließ sich von fünf seiner Männer hinausbringen. Zum Glück blieb der König dabei unverletzt, und als sie es endlich geschafft hatten, den Monarchen aus dem mit Blut entweihten Gotteshaus hinauszubringen, überließ es der siebzehnjährige Randolf seinen Kameraden, Heinrich in seine Pfalz zu geleiten. Er selbst stürzte sich erneut
Weitere Kostenlose Bücher