Die Tochter des Münzmeisters
er ihr beigestanden, und in ihrer schwersten Stunde hatte seine Gemahlin ihm mit letzter Kraft zum ersten Mal gesagt, dass sie ihn liebte. Im Morgengrauen starb Hemma dann, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Clemens scheuchte alle aus dem Zimmer und schloss sich bis zum darauf folgenden Tag zusammen mit seiner geliebten Frau ein. Erst am nächsten Morgen öffnete er die Tür und ließ Edgitha herein.
Der Münzmeister schüttelte die Erinnerung ab, gingein paar Schritte auf seine Tochter zu und setzte sich vorsichtig auf das große Bett. Zärtlich strich er mit einer Hand über die aufgeschlagene Decke, dann sah er Henrika mit verklärtem Blick an und meinte leise: »Hier wurdest du geboren, und hier starb deine Mutter.«
In der Nacht lag Henrika noch lange wach in ihrem Bett. Die Umstände ihrer Geburt und der Tod ihrer Mutter hatten sie unglaublich aufgewühlt. Vor allem die unbeirrbare Liebe ihres Vaters imponierte ihr mehr als alles andere. Und noch etwas war geschehen: Durch die Einblicke in das Leben ihrer Mutter hatte sie mit einem Mal eine andere Beziehung zu ihr bekommen. Obwohl sie Hemma niemals kennengelernt hatte, fühlte sie sich ihr plötzlich vertraut und nah – und dennoch konnte der Weg ihrer Mutter nicht der ihre sein.
Diese Einsicht war wichtig für Henrika, denn noch etwas ganz anderes plagte sie, wobei ihr momentan völlig die Vorstellung davon fehlte, wie sie diese unbekannten und verwirrenden Emotionen in den Griff bekommen sollte. Frustriert schlug sie die Decke zurück, stand auf und ging zum Fenster. Die Erkenntnis hatte sie mit einer solchen Wucht getroffen, dass sie dagegen zumindest im Augenblick nicht ankam, und die verräterischen Bilder Randolfs drängten immer wieder hartnäckig an die Oberfläche. Gelegentlich wachte sie sogar nachts auf, weil sie meinte, seine Stimme gehört zu haben.
Womöglich besaß sie mehr von ihrer Mutter, als ihr lieb war! In dem klaren Bewusstsein, tiefere Gefühle für den verheirateten Ritter zu empfinden, und zugleich in dem Wissen, dass es hoffnungslos war, legte sie sich wieder hin und fiel einige Zeit später in einen traumlosen Schlaf.
Fröstelnd warf sich Randolf seinen wollenen Umhang über die Schultern, als er in den Gang hinaustrat, und nicht zum ersten Mal war er froh darüber, dass das Kleidungsstück mit einem dicken Schaffell versehen war. Sie waren vor einer knappen Woche in Babenberch angekommen und hatten sich hier so gut es ging eingerichtet. Der Hofstaat Heinrichs war dieses Jahr zu Weihnachten nicht ganz so groß geraten wie zu manch anderen Festtagen, doch mit einer Stärke von etwas mehr als eintausend Mann ächzte der Ort unter der drückenden Last. Die zusätzliche Verpflegung gestaltete sich in den harten Wintermonaten nun mal um einiges schwieriger. Gerade jetzt, in dieser vor allem für die einfache Bevölkerung beschwerlichen Zeit, dachte er des Öfteren an Guntram, in dessen Haltung mehr Stolz lag als in der mancher Fürsten. Der Bauer hatte Randolf mit seiner ungebrochenen Standhaftigkeit, verbunden mit seinem fast stoischen Gleichmut, gewaltig imponiert. Anscheinend nicht nur mir, dachte er, als ihm die junge Irmingard einfiel, wobei sich sofort wieder das altbekannte mulmige Gefühl bemerkbar machte.
Doch jetzt warteten andere Dinge auf ihn, und energisch verschob er seine Gedanken auf später.
Bischof Hermann hatte den König eingeladen, und Heinrich folgte nur zu gerne dem Ruf des Mannes, der in Rom nicht ganz unumstritten war. Ihm lastete der Zweifel der Simonie an, weswegen er sich zwei Jahre zuvor zusammen mit dem Erzbischof von Mainz auch schon beim Papst hatte verantworten müssen. Allerdings hatte der angeklagte Bischof Hermann sich vor dem Heiligen Vater erfolgreich rechtfertigen können und sogar das Pallium von ihm erhalten. Dennoch war es nicht abzustreiten, dass es seitdem innerhalb der Geistlichkeit seiner Diözese kräftig gegen den Bischof rumorte, da dieGegner der Käuflichkeit von kirchlichen Ämtern und Ähnlichem auch dort zu finden waren.
Heinrich blieb deswegen unbeirrt und zeigte offen seine Verbundenheit zum Bischof von Babenberch, denn auch er hatte bereits einen größeren Konflikt mit Papst Alexander hinter sich, Anlass waren die Scheidungspläne des Monarchen.
Vor drei Jahren hatte der König versucht, sich nach dreijähriger Ehe von seiner Frau Bertha scheiden zu lassen, und damit nicht nur den Heiligen Vater in Rom gegen sich aufgebracht. Erst nachdem Papst Alexander dem
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