Die Tochter des Münzmeisters
König auf dem Reichstag zu Frankfurt im Oktober 1069 durch einen Legaten seine Androhung überbracht hatte, dass sich seine Aussichten auf die Kaiserkrone durch die Scheidungspläne in Luft auflösten, nahm König Heinrich missgelaunt Abstand davon.
Mittlerweile, wie Randolf zufrieden festgestellt hatte, waren auch die vorgegebenen Gründe für das Scheidungsverlangen hinfällig geworden, denn das Königspaar hatte vor zwei Jahren das erste Kind bekommen, so dass die Aussage Heinrichs, der Vollzug der Ehe habe nicht stattgefunden, nicht mehr haltbar war. Randolf hatte dem Ganzen sowieso zwiespältig gegenübergestanden. Obwohl in dem Treueeid gegenüber dem König gefangen, vermochte er seine Grundsätze, die er mit dem Ehegelübde verband, nicht zu verleugnen. Ironischerweise machten ihm seine eigenen Prinzipien nun selbst zu schaffen.
Der König wartete in der großen Halle der alten Burg darauf, dass sein Freund aus Kindertagen seiner Aufforderung Folge leistete. Als Randolf in den Raum eilte, fand er neben dem Herrscher auch Bischof Hermann vor sowie fünf weitere Personen aus hohen Ämtern und Adel. Zu seiner Verblüffung erwartete noch ein andererMann seine Ankunft, mit dessen Anwesenheit er nicht im Traum gerechnet hatte.
»Brun!«, begrüßte er den jüngsten Sohn seines verstorbenen Lehrmeisters erfreut, nachdem er dem König die Ehre erwiesen hatte. »Was bringt dich bei diesem unwirtlichen Wetter hier zu uns nach Babenberch, noch dazu an Weihnachten?«
Beide umarmten sich herzlich, und Randolf stellte fest, dass sein um drei Jahre jüngerer Freund noch immer einen ziemlich verfrorenen Eindruck machte, denn der kalte Ostwind, der seit Tagen schon ein unerfreuliches Schneegestöber veranstaltete, ließ sich nur mit Mühe aus dem kalten, alten Gemäuer aussperren. Dicke Decken hingen vor den Fensterschlitzen, doch das Heulen des Windes war allgegenwärtig, und auch die lodernden Flammen, die in der offenen Feuerstelle für ein wenig Wärme sorgten, änderten nicht viel daran, sondern hatten eher schlechte Luft zur Folge. Der Rauch des Feuers zog quer durch die große Halle, da eine Abzugsmöglichkeit fehlte und er nur über eine nicht abgedeckte Fensteröffnung am Ende des Saals entweichen konnte.
»Euer Freund kommt als Gesandter seines Herrn, des Herzogs von Schwaben. Eigentlich wollte ich ihm nur eine kurze Pause gönnen, damit er sich gleich morgen wieder mit meiner Antwort auf den Weg machen kann«, ergriff der König das Wort. »Doch da ich von der Verbundenheit zwischen Euch weiß, will ich nachsichtig sein, obgleich die Angelegenheit sehr dringlich ist. Brun von Gosenfels«, wandte er sich nun an Brun, »Ihr dürft Euch einen Tag länger hier aufhalten. Erwartet meine Botschaft morgen Abend, dann könnt Ihr in zwei Tagen aufbrechen. Euch wird eine Lagerstätte zugewiesen, es sei denn, der gute Randolf macht Euch Platz in seiner Kammer.«
Die beiden Männer verbeugten sich unter den neugierigen Blicken der Umstehenden, die allesamt in dicke Umhänge gehüllt waren, und verließen die zugige Halle. Kaum hatte sich die schwere doppelte Eingangstür hinter ihnen geschlossen, da brach es auch schon aus Brun heraus.
»Mensch, ist das schön, dass wir endlich mal wieder zusammentreffen«, sagte er freudig. »Ist deine Familie nicht hier? Normalerweise begleitet sie dich doch zu den Feierlichkeiten an Weihnachten.« Dabei hauchte er in seine rot gefrorenen Hände und rieb sie aneinander.
Randolf unterdrückte ein Schmunzeln und schlug seinem Freund im Gehen auf die Schulter, wobei das kaum vorhandene Hinken Bruns wie üblich seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Eine Erinnerung an den Überfall, denn er hatte sich die Verletzung zugezogen, als er vom Hof geflohen war, um Hilfe zu holen.
»Nein, Betlindis ist mit unserem Sohn zu Hause geblieben. Ich wollte sie nicht diesem Wetter aussetzen, denn der Weg von meinem Gut ist ziemlich weit.«
Betrübt entgegnete Brun daraufhin: »Schade, ich hatte gehofft, meine Nichte endlich einmal wiederzusehen.«
Als er Randolfs Blick bemerkte, fügte er erklärend hinzu, Goswin habe ihm in einem seiner seltenen Briefe mitgeteilt, dass Henrika seit September auf dem Gut Randolfs weilte, um der kränkelnden Betlindis zur Seite zu stehen. Damit hatte die junge Frau dem Wunsch des Königs Folge geleistet, nachdem dieser völlig unerwartet im Hause des Münzmeisters aufgetaucht war. Randolf selbst war bei diesem Besuch nicht dabei gewesen, da er für Heinrich unterwegs
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