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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
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scharf zurecht: »Überleg nur mal, wie du dich soeben ausgedrückt hast. Er hat gefürchtet, deine Liebe zu verlieren. Die Liebe seiner Tochter, denngenau das bist du! Clemens hat dich großgezogen, dir wichtige Werte vermittelt und dir seine uneingeschränkte Liebe geschenkt. Ich will nie wieder hören, dass du so von deinem Vater sprichst!«
    Mühsam beherrscht und leicht verschämt erhob sich Henrika mit gesenktem Kopf, dankte ihrer Großmutter ruhig und verließ ihr Zimmer. Sie brauchte erst mal ein wenig Zeit für sich, bevor sie sich zu ihrem Vater begab. Und wo konnte sie besser nachdenken als im Stall bei den Pferden?
    Nachdem Henrika gegangen war, blieb Edgitha noch ein wenig still auf ihrem Platz sitzen. Es hatte sie ungeheuer Kraft gekostet, die Vergangenheit nach so vielen Jahren des Unterdrückens wieder aufleben zu lassen. Bei der Erinnerung an ihren Mann brach der Schmerz über den erlittenen Verlust mit voller Wucht erneut über sie herein, so als wäre es erst vor kurzem geschehen. Die Tränen liefen ihr ungehindert über ihre Wangen, während sie dasaß und zum zweiten Mal den Erinnerungen nachgab.
    Die Abenddämmerung war bereits fast vollständig von der Finsternis der Nacht verschluckt und der Himmel wolkenverhangen, daher schaffte es das Licht des Mondes nur gelegentlich bis hinunter auf die Erde. Gottwalds Frau saß auf ihrem Schemel und hielt ihren kleinen Silberspiegel in der rechten Hand. Ihr Gemahl hatte ihn aus dem ersten Silber herstellen lassen, das sie in seiner Grube gefunden hatten. Der Griff war mit einer schönen Blumenranke verziert und das Glas innerhalb der runden Metallfläche eingelassen.
    Edgitha mochte den Spiegel sehr, auch wenn er nichts als Eitelkeit verkörperte und sie sich damit einer der Todsünden schuldig machte. Dabei ging es ihr überhaupt nicht darum, ihr eigenes Antlitz zu bewundern, vielmehr mochte sie den Spiegel so sehr, weil ihr Gemahl ihn ihr an ihrem Namenstag geschenkt hatte. Nach einer erfüllten Liebesnacht war sie aufgewacht und hatte zwar nicht mehr Gottwald, dafür aber sein elegantes Geschenk vorgefunden.
    Seufzend ließ Edgitha die Hand sinken und legte den Spiegel vorsichtig auf den zierlichen Tisch. In ein paar Monaten würde sie zweiunddreißig Jahre alt werden, und auch wenn sie sich auf ihr Aussehen nichts einbildete, so wusste sie doch, dass sie immer noch eine schöne Frau war. Sie hörte, wie sich im Erdgeschoss leise eine Tür schloss, und erhob sich, um näher ans Feuer zu gehen. Die Luft hatte sich seit ein paar Tagen ein wenig abgekühlt, und Edgitha fröstelte leicht. Langsam ließ sie sich auf den Fellen vor dem flackernden Feuer nieder, während sie auf die Schritte achtete, die vorsichtig die Treppe hinaufkamen. Edgitha legte sich so hin, dass sie die Zimmertür im Auge hatte. Den Kopf stützte sie mit der linken Hand ab, während sie mit der rechten ihr cremefarbenes Nachthemd glattstrich. Den Saum mit der Spitzenborte zog sie bewusst ein wenig höher, bis er nur gerade noch über die Knie reichte. Als die Schritte vor ihrer Tür haltmachten, wagte sie kaum zu atmen.
    Zu ihrem großen Bedauern lag Gottwalds letzter Besuch bereits ein paar Wochen zurück, und sie sehnte sich sehr nach seinen Umarmungen. Nicht dass sie Sorge hatte, er wäre ihrer überdrüssig, schließlich wusste sie, dass er sie noch immer begehrte, vielleicht sogar mehr als zu Beginn ihrer Ehe. Aber ihr Gemahl trug schwer an seinen Pflichten und der großen Verantwortung seiner Stellung. Besonders wenn es galt, Streitigkeiten zwischen den Einwohnern des Ortes zu schlichten, war ihm die Müdigkeit hinterher anzusehen.
    Dieses Mal wurde ihr banges Warten jedoch belohnt.
    Leise öffnete sich die Tür, und im flackernden Schein des Feuers konnte sie das vertraute Gesicht ihres geliebten Mannes erkennen.
    »Komm zu mir!«, flüsterte sie und streckte ihm die rechte Hand entgegen.
    Einen Augenblick später erwiderte Gottwald ihren sehnsüchtigen Kuss leidenschaftlich, und bald lagen sie eng umschlungen vor dem Feuer. Als Gottwald das leichte Zittern seiner Frau bemerkte, deckte er seinen Umhang über sie. »Du bist bestimmt die einzige Frau auf unserer schönen Welt, die vor einem Feuer friert«, scherzte er leise.
    »Das ist mir gleich, solange du derjenige bist, der mich wärmt«, gab Edgitha zurück und kuschelte sich noch enger an ihren Mann.
    »Was hältst du von dem Mann, der um die Hand unserer Tochter angehalten hat, Edgit?«, fragte Gottwald nach ein paar

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