Die Tochter des Praesidenten
verstehen.« Er berichtete ihr alles, was in Sizilien geschehen war, von den Menschen, die dort umgebracht worden waren, von Judas und den Makkebäern und schließlich von Nemesis.
Als er fertig war, konnte sie nur fassungslos den Kopf schütteln. »Das ist so entsetzlich, ich kann es kaum glau ben. Ein solch grauenhaftes Morden in einem solchen Ausmaß.«
»Dieser Judas ist komplett verrückt, da bin ich mir si cher; allerdings gilt das im Grunde eigentlich für viele Ex tremisten.«
»Aber es sind Juden. Wer würde denn glauben …«
»Daß Juden Terroristen sind? Und wer hat Premiermi nister Rabin umgebracht? Es genügt ja schon eine kleine, zu allem entschlossene Gruppe. Nehmen Sie Irland als Beispiel. Mehr als fünfundzwanzig Jahre Bomben und Schießereien, Tausende Tote, Hunderttausende Verwun dete, von denen manche fürs Leben verkrüppelt sind, und trotzdem hat die IRA zu keiner Zeit mehr als dreihun dertfünfzig aktive Mitglieder gehabt. Die Mehrheit der irischen Bevölkerung haßt die Gewalt und verurteilt sie.«
»Sie wissen gut Bescheid.«
Er spürte ihre unausgesprochene Frage, die in diesem Satz lag. »Ich stamme eigentlich aus Belfast. Mit neun zehn war ich ein junger Schauspieler in London. Mein Vater fuhr auf Besuch nach Hause, geriet auf einer Straße in Belfast in einen Schußwechsel und starb durch die Ku geln britischer Soldaten.«
»Und Sie sind der IRA beigetreten?«
»Wie man so reagiert mit neunzehn. Ja, Comtesse, ich wurde ein Kämpfer für die glorreiche Sache, und wenn man diesen Weg einmal eingeschlagen hat, gibt es kein Zurück mehr.«
»Aber Sie haben sich geändert. Immerhin arbeiten Sie für den britischen Geheimdienst und diesen Brigadier Ferguson.«
»Mir blieb kaum eine andere Wahl. Ich stand vor der Alternative, entweder von einem serbischen Erschie ßungskommando in Bosnien exekutiert zu werden oder Fergusons Angebot anzunehmen, künftig für ihn zu ar beiten.«
»Und eigentlich das gleiche zu tun wie bisher.«
»Genau, wenn auch für gewöhnlich auf der richtigen Seite.«
»Ich verstehe«, erwiderte sie mit deutlichem Unbehagen.
»Ich habe nie zu denen gehört, die am Bombenlegen ihren Spaß hatten, Comtesse«, sagte Dillon. »Und in Sizi lien hätte ich notfalls höchstens Hakim und seine Männer erschossen, aber nicht das alte Ehepaar und das Mäd chen.«
»Ja, ich … ich glaube Ihnen.«
Er lächelte sein ganz besonderes Lächeln, das ungeheu er einnehmend war und seine Persönlichkeit vollkommen veränderte.
»Das ist auch besser so, Comtesse, weil ich der einzige Freund bin, den Sie hier haben.«
»Ich glaube Ihnen. Und jetzt geben Sie mir eine Ziga rette und sagen mir, was wir Ihrer Meinung nach tun sol len.«
»Ich wünschte, ich wüßte es.« Er gab ihr mit seinem al ten Zippo Feuer. »Interessanterweise hat Judas mit kei nem einzigen Wort erwähnt, daß Sie Cazalets Tochter sind, aber er weiß es offensichtlich.«
»Warum hat er es Ihnen dann nicht erzählt?«
»Ich glaube, er hat seinen Spaß an solch kleinen Spiel chen wie der Sache mit dem Keller und dem Brunnen letzte Nacht. Vermutlich wollte er, daß ich es von selbst herausfinde.«
Sie nickte. »Also hat er vor, mich als Druckmittel zu benutzen, um meinen Vater zur Unterzeichnung dieses Befehls zur totalen Zerstörung von drei Ländern zu zwin gen?«
»So ungefähr.«
Sie schüttelte den Kopf. »Jake Cazalet ist ein guter Mann, Mr. Dillon. Ich kann nicht glauben, daß er so etwas ge nehmigen würde, ganz gleich, womit man ihm droht.«
»Normalerweise würde ich Ihnen zustimmen.« Dillon stand auf und ging zum Fenster. »Aber Judas meint of fensichtlich, er habe mit Ihnen etwas ganz Außergewöhn liches in der Hand.« Er wandte sich um. »Erzählen Sie mir davon. Erzählen Sie mir von ihm und Ihrer Mutter. Jede Einzelheit. Vielleicht finden wir irgendwas, das uns helfen könnte.«
»Ich weiß nicht, ob ich das kann.« Sie schwieg einen Moment. »Meine Mutter hat mir im Lauf der Jahre nach und nach erzählt, wie es passiert ist. Es war keine schmut zige Affäre – ganz im Gegenteil.« Sie lachte, aber ihre Stimme zitterte. »Viel eher eine tragische.«
»Wir haben nichts Besseres zu tun. Erzählen Sie’s mir einfach, solange wir noch Zeit haben. Sie könnten mich jede Minute holen kommen.«
»Also, es begann vor langer Zeit in
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