Die Tochter des Praesidenten
Dillon.«
Marie de Brissac stand an ihrer Staffelei und drehte sich unsicher um. »Ich bringe Ihnen etwas Gesellschaft«, sagte Aaron. »Gleich gibt es Frühstück.« Er schloß die Tür und sperrte ab.
»Sean Dillon.« Er streckte die Hand aus. »Comtesse, stimmt’s?«
»Lassen wir das, Marie genügt – Marie de Brissac. War es schlimm?«
»Die Nacht war allerdings ziemlich übel. Ich nehme mir eine Zigarette, wenn’s recht ist.«
»Natürlich.«
Er inhalierte genüßlich. »Wissen Sie vielleicht zufällig, wo wir hier sind?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung. Und Sie?«
»Leider auch nicht. Ich war in einem Fischerdorf na mens Salinas auf Sizilien, das ist das letzte, an das ich mich erinnere. Ich muß mindestens zwölf Stunden lang auf See gewesen sein, aber ich war die meiste Zeit über bewußtlos.«
»So ähnlich war es auch bei mir. Ich war auf Korfu, als man mich entführt hat. Es wurde von einem Flug gespro chen, dann bekam ich eine Spritze in den Arm und bin erst hier wieder aufgewacht.«
»Aber was zur Hölle soll das alles?« fragte Dillon.
Die Tür öffnete sich, und Braun kam mit einem Ta blett herein.
»Guten Morgen, Mr. Dillon – Comtesse.« Er stellte das Tablett ab. »Rühreier, Toast, Marmelade und englischer Frühstückstee. Viel besser als Kaffee. Ich komme später wieder.«
Nachdem er gegangen war, meinte Dillon: »Ich weiß nicht, wie es mit Ihnen ist, aber ich bin fast verhungert. Essen wir, solange alles warm ist.«
»Einverstanden.«
»Wir wissen also nicht, wo wir sind«, sagte Dillon, als sie sich am Tisch gegenübersaßen. »Könnte Italien oder Griechenland sein, vielleicht sogar die Türkei oder Kreta. Ägypten wäre auch möglich.«
»Reichlich Auswahl, aber wer sind Sie, Mr. Dillon, und warum sind Sie hier?«
»Ich arbeite für eine Abteilung des Britischen Geheim dienstes und war auf Sizilien, um in einer reichlich illega len Aktion einen vielgesuchten arabischen Terroristen zu verhaften. Meine Partnerin, Chief Inspector Hannah Bernstein von der Abteilung für Innere Sicherheit bei Scotland Yard, war bei mir. Die ganze Sache stellte sich als eine Falle heraus. Mich haben sie mitgenommen, aber Hannah ließen sie laufen, damit sie es meinem Boß, Bri gadier Ferguson meldete. Wie war’s bei Ihnen?«
»Ich habe Urlaub im Nordosten Korfus gemacht, um dort an der Küste zu malen, und war ganz allein, wie ich es im Moment am liebsten habe.«
»Sie sind Französin.«
»Das stimmt. Ich malte am Strand, als David – der Mann, der sich David Braun nennt – zusammen mit die sem Moshe dort auftauchte. Sie packten meine Sachen zusammen und nahmen mich ohne eine Erklärung mit. Den Rest kennen Sie.«
»Es muß aber einen Grund geben«, meinte Dillon. »Was ist so Besonderes an Ihnen? Erzählen Sie mir von sich.«
»Nun, mein Vater war General Comte Jean de Brissac, ein Kriegsheld, der vor einigen Jahren verstorben ist, und letztes Jahr starb auch meine Mutter. Das habe ich immer noch nicht ganz verwunden. Jedenfalls bedeutet das, daß ich jetzt Comtesse de Brissac bin. Der Titel vererbt sich auf diese Weise weiter, von der Mutter oder dem Vater her.«
»Aber aus diesem Grund würde Sie niemand entfüh ren«, sagte Dillon.
»Ich bin ziemlich wohlhabend. Vielleicht wollen sie ein Lösegeld?«
»Möglich, nur erklärt das nicht, warum sie mich ver schleppt haben.« Er schenkte sich noch einen Tee ein. »Wissen Sie, nach allem, was dieser Judas mir erzählt hat, sind sie irgendeine jüdische Extremistengruppe.«
»Das macht die Sache noch viel mysteriöser. Ich habe keinerlei Verbindungen zu Juden.« Sie überlegte einen Moment. »Der Anwalt unserer Familie in Paris, Michael Rocard, ist Jude, aber wo sollte da ein Zusammenhang bestehen? Er ist schon seit mindestens dreißig Jahren der Anwalt der Brissacs. Das Häuschen, das ich auf Korfu gemietet hatte, gehört ihm.«
»Gibt es da sonst noch was?« fragte Dillon. »Irgend et was in Ihrem Leben? Kommen Sie, Lady.«
»Mir fällt zumindest nichts ein.« Er spürte ihr Wider streben und hakte sofort nach.
»Kommen Sie, die Wahrheit.«
Sie seufzte und lehnte sich zurück. Dann erzählte sie es ihm.
Dillon war sprachlos. Er ging zum Tisch am Fenster und nahm sich eine ihrer Zigaretten. »Jake Cazalet. Das ist es.«
»Aber warum?«
»Sie werden es gleich
Weitere Kostenlose Bücher