Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Geschichten in rauchigem Flüsterton.
Haru saß auf den Knien, die Hände im Schoß gefaltet, ihr Chignon perfekt geölt. Sie deutete auf den Stapel Kimonos, auf die Töpferwaren und Lackarbeiten. »Ich brauche sie nicht, Mutter. Ich gehe in ein anderes Haus, sie würden unserem Haus verloren gehen. Behalte du sie.«
»Sie geht in ein anderes Haus.« Ihre Mutter schüttelte den Kopf und lachte traurig. »Die Tochter von Fujino aus Gion heiratet. Wer hätte das je gedacht? Einige meiner Freundinnen haben ihre Geliebten geheiratet, aber ich nicht, euer Vater war nie bereit, mich zu seiner Ehefrau zu machen. Ich werde immer eine Geisha sein. Doch meine Haru als Braut, man stelle sich das vor! Und du auch, Taka. Du gehst zur Schule und wirst auch eine Braut sein. Bald wird niemand mehr wissen, dass wir von Geishas abstammen.«
In ihrer anmutigen Haltung sah Haru mehr wie die Tochter eines bedeutenden Fürsten aus als eine Geisha. Taka konnte sich nicht vorstellen, je so erwachsen zu sein, so ruhig und gefasst. »Wenn ich heiraten sollte, würde ich unbedingt wissen wollen, wie mein neuer Ehemann so ist!«, rief sie.
»Er stammt aus einer angesehenen Familie von höchstem Rang und ist ein aufrechter Mann mit besten Aussichten. Das hat mir der Heiratsvermittler versichert.« Fujino genoss es, das Wort »Heiratsvermittler« auszusprechen. Taka wusste, wie stolz ihre Mutter darauf war, Harus Heirat in gebührender Weise arrangiert zu haben, wie es die angesehenen Samurai-Familien taten. Hier ging es um die Vereinigung von Familien, nicht um eine unüberlegte Geisha-Verbindung. »Er hat die Familie gründlich überprüfen lassen, durch mehrere Generationen. Es gibt keine finanziellen Probleme, keine Skandale, keine Geisteskrankheit, keinen Grund zur Sorge.«
»Ich freue mich darauf, meinen Hochzeitskimono anzuziehen und in meinem lackierten Palankin fortgetragen zu werden«, sagte Haru ruhig. »Ich bin nur ein bisschen besorgt, dass ich die Erwartungen der Familie nicht erfüllen könnte. Hoffentlich wird es mir gelingen, meine Schwiegermutter zufriedenzustellen.«
Sie knetete ihre kleinen Hände. In Wahrheit war sie sehr nervös, das erkannte Taka jetzt. Fortgeschickt zu werden, um einen Mann zu heiraten, den sie bis zu ihrem Hochzeitstag nicht einmal zu Gesicht bekäme … Taka wusste, dass ihre Mutter nur die besten Absichten für sie beide hatte, und trotzdem war es eine beängstigende Vorstellung.
Insgeheim, in der Tiefe ihres Herzens, wünschte Taka sich, ihr Leben würde mehr wie das ihrer Mutter verlaufen, oder wie das der Hofdamen aus alter Zeit, von denen sie in Liebesromanen und Tagebüchern las. Sie träumte davon, in einer mondhellen Nacht Verse mit einem geheimnisvollen Herrn auszutauschen, wie es die Dame Sarashina vor Hunderten von Jahren getan hatte, oder ein heimliches Rendezvous in den überwucherten Gärten einer Villenruine zu haben wie Ocho und Tanjiro im Pflaumenkalender oder von verbotener Leidenschaft verzehrt zu werden wie die Liebenden in Kabuki-Stücken, die sich gemeinsam entleibten, weil es die einzige Möglichkeit war, für immer vereint zu sein.
Oder sie würde vielleicht mit einem der kaiserlichen Gardisten durchbrennen, diesen schneidigen jungen Männern mit dem kurzen Haarschnitt und den Uniformen mit glänzenden Knöpfen, die das Haus bevölkert hatten, als ihr Vater hier gewesen war. Taka hatte sie stets aus der Ferne bewundert. Da war besonders einer, der hochgewachsen und ruhig und recht faszinierend gewesen war. Ihr war aufgefallen, dass er das besondere Vertrauen ihres Vaters genoss, jedoch viel zu erwachsen war, um einem Kind wie ihr auch nur die geringste Beachtung zu schenken.
In Wirklichkeit waren Geishas nicht glücklicher als Ehefrauen, das wusste Taka. Ihre Mutter war oft einsam, vermisste Takas Vater und wünschte sich, nach Gion zurückkehren zu können. Aber wenigstens bestand Zuneigung zwischen Takas Vater und ihrer Mutter. Nach dem, was Takas Schulfreundinnen erzählten, sahen Samurai-Frauen ihre Ehemänner nur selten. Doch letztlich spielte es keine Rolle, was Taka wollte. Ihr Leben lag nicht in ihrer Hand. Bald würde auch sie wie Haru fortgeschickt werden, um einen Mann zu heiraten, den sie nicht kannte. Das war üblich für Samurai-Töchter, und zu einer solchen war sie jetzt geworden.
»Du wirst mir fehlen, Haru-chan«, seufzte Fujino. Tränen standen ihr in den Augen. »Ohne dich wird es so still sein. Erst dein Vater, und nun du. Ich weiß nicht, wie ich es
Weitere Kostenlose Bücher