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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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Familienerbstücke, unschätzbare Antiquitäten, Dinge, die niemand je benützen würde, wurden innerhalb dieser feuerfesten Mauern verwahrt. Selbst wenn das große Haus bis auf die Grundmauern niederbrannte und die gesamte Familie umkam, würden diese vermodernden Schätze überdauern.
    Als sie weiter hineintraten, warfen die Kisten und Truhen riesige Schatten, die im Licht der schwingenden Laternen bedrohlich schwankten. Sie wischten Spinnweben von einigen der Truhen und öffneten sie. Fujino nahm in Seidenpapier gewickelte Kimonos heraus, Kästen mit Porzellan, Puppen und alte Bücher, Lackarbeiten, Bildrollen und Gegenstände für die Teezeremonie, schüttelte zerstreut den Kopf und stöhnte: »Das geht nicht. Nein, das auch nicht.« Sie sollte Harus Aussteuer zusammenstellen, war aber von dieser Aufgabe anscheinend völlig überfordert.
    Okatsu mit ihrem runden Gesicht und dem hübschen Lächeln kniete neben ihr und verstaute die Sachen ebenso schnell wieder, wie Fujino sie herausnahm. Sie war Takas persönliche Dienerin und hatte diesen Posten inne, seit sie vor fünf Jahren nach Tokyo gekommen waren. Okatsu war zehn Jahre älter als Taka. Kamen Freunde von Takas Bruder zu Besuch, neckten sie Okatsu unbarmherzig, und Taka musste sie oft retten, wenn sie die junge Frau durchs Haus jagten, sie begrapschten und zu kitzeln versuchten. Einmal hatte einer von ihnen eine Öllampe umgeworfen, während er sich mit ihr herumbalgte, den Papierschirm zerrissen und die Tatamimatten mit Öl getränkt. Okatsu nahm das alles fröhlich und gutmütig hin. Welches Chaos auch herrschen mochte, man konnte sich immer darauf verlassen, dass Okatsu sich nicht davon aus der Ruhe bringen ließ und alles in Ordnung brachte.
    »Hier ist der, nach dem ich gesucht habe.« Papier raschelte, als Fujino die Hülle auseinanderfaltete und einen Kimono herausnahm. Taka hielt den Atem an und streckte die Hand danach aus. Im schwachen Licht zogen sich wilde Chrysanthemen, gestickt in Gold, Rosa und Indigoblau, über die malvenfarbene Seide der Ärmel, der Schultern und des Saums.
    »Und der hier.« Ihre Mutter hielt einen Überkimono mit einem dick wattierten Saum und einem in die elfenbeinfarbene Seide eingewebten Bambusblattmuster hoch. Er war mit olivgrünen Bambuswedeln bestickt, und ein kleiner grüner Reiher mit orangefarbenem Schnabel lugte aus dem Blattwerk hervor. Die Ärmelaufschläge, Schultern und der Saum waren in einem schimmernden Persimonen-Orange gehalten. »Das sind Erbstücke. Ich habe sie seit Jahren nicht mehr gesehen.«
    Ehrfürchtig hob Taka den weichen Stoff an. Er war geschmeidig und schwer.
    »Auch die haben meiner Mutter gehört.« Fujino griff in eine weitere Truhe und holte antike Teezeremonie-Schalen, Teedosen in gewebten Seidenbeuteln, Teebesen und Schöpfer aus Bambus hervor. Sie wog eine Teeschale in ihren rundlichen Händen und reichte sie an die Dienerinnen weiter. »Eure Großmutter war die berühmteste Geisha von Kyoto. Die kaiserlichen Prinzen kamen aus dem Palast, um Gäste bei ihren Teezeremonien zu sein und sie tanzen zu sehen.«
    Taka und Haru nickten. Ihre Mutter hatte ihnen oft erzählt, wie sich einer der Prinzen in ihre Großmutter verliebt hatte und sie zu seiner Konkubine machen wollte. Aber die Hofbeamten hatten es verboten, und ihnen zu trotzen, hätte Exil und Entehrung bedeutet, vielleicht sogar den Tod. Ihre Großmutter war ebenfalls in den Prinzen verliebt gewesen, hatte jedoch als gute Geisha sein Wohlergehen über das ihre gestellt und ihm verboten, sie je wiederzusehen. Später war sie die Geliebte von Kaufleuten und Sumo-Ringern gewesen und hatte dann eine lange Beziehung mit einem berühmten Kabuki-Schauspieler gehabt, aber sie hatte den Prinzen nie vergessen. Als die Herrin ihres Geisha-Hauses starb, wurden ihr die Schlüssel übergeben, und sie wurde selbst zur Herrin, womit sie das erreichte, was in jenen Tagen der Traum jeder Geisha war – finanzielle Unabhängigkeit.
    Taka hatte Angst vor ihr gehabt. Sie war ihr als kleine, strenge Frau in Erinnerung geblieben, die ihr sehr alt vorgekommen war. Ihre Großmutter hielt sich sehr aufrecht und pflegte ihre knochigen Finger um Takas Arm zu schließen und sie mit ihren stechenden Augen durchdringend anzusehen, wenn Taka etwas falsch gemacht hatte. Die Haut auf ihren Handgelenken war so dünn, dass sie fast durchscheinend war. Sie führte im Geisha-Haus ein strenges Regiment, war aber freundlich zu ihren Enkelkindern und erzählte ihnen

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