Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Klirren von Stahl gehört. Fünf Tage lang hatte es lautstarke Treffen gegeben, Tag und Nacht. Dann hatten die Dienstboten die Reisetaschen ihres Vaters gepackt. Als Taka ihre Mutter fragte, hatte die nur gefaucht: »Dein Vater geht nach Kyushu«, und das in einem Ton, der weitere Fragen verbot. Sie hatte bleich und angespannt ausgesehen, obwohl er doch oft fort war.
Alle hatten sich aufgereiht, um ihn zu verabschieden. Als ihr Vater zu Taka kam, hatte er ihr Kinn in seine große Hand genommen, sie fest angeschaut und die Tränen in ihren Augen gesehen. »Nun, kleine Taka«, hatte er gesagt. »Gib acht auf deine Mutter.«
Dann war er fort, zusammen mit all den jungen Männern, in einer langen Reihe von Rikschas, die den Staub aufgewirbelt hatten. Plötzlich war es im Haus vollkommen still.
Taka fragte sich, warum ihr Vater sie nicht alle mitgenommen hatte. In der Satsuma-Hauptstadt Kagoshima hatte er eine Ehefrau und Kinder, das war kein Geheimnis, aber er hätte dort ohne Weiteres auch Fujino und ihren Kindern ein Haus einrichten können. Die meisten Männer unterhielten mehrere Haushalte. Aber ihr Vater hatte sich dagegen entschieden, vielleicht weil er in solcher Eile aufgebrochen war. Außerdem hätte sich Fujino auf dem Land zu Tode gelangweilt.
Geishas waren an die Abwesenheit ihrer Männer gewöhnt. Sie wussten alle, dass ihre Liebhaber Ehefrauen und Kinder hatten, was es umso wichtiger machte, die oberste Regel der Halbwelt zu befolgen – nie zu vergessen, dass Liebe ein Spiel war. Das war Taka von Kindesbeinen an eingebläut worden. Geishas wickelten Männer um den kleinen Finger und sorgten dafür, dass sie sich hoffnungslos in sie verliebten – das war ihre Aufgabe –, doch sie achteten stets darauf, sich nicht selbst von ihren Gefühlen leiten zu lassen. Die meisten Geishas jonglierten mit mehreren Männern, die alle glaubten, sie wären deren einziger Liebhaber und müssten für sie sorgen, was den Frauen einen angenehmen Lebensunterhalt verschaffte.
Aber Takas Mutter verstellte sich nicht, wie es eine Geisha tun sollte. Sie war General Kitaoka wirklich ergeben und verließ sich darauf, dass er für sie und ihre Kinder sorgte. Einen zweiten Liebhaber gab es nicht. Fujino missachtete diesen fundamentalen Grundsatz, deshalb hatte Taka Angst um sie. Eine Geisha zu sein, war ja gut und schön, doch nur, wenn man nie sein Herz verlor.
Die Dienerinnen waren dabei, Vasen, Kimonos und Seidenstoffe für Harus Aussteuer zu verpacken, als die Tür des Lagerhauses aufglitt und ein Schwall eisiger Luft hereinwehte. Die Laternen flackerten und erloschen, lose Kimonohüllen wehten über den Boden, und lackierte Teedosen rollten klappernd herum. Eijiro kam mit wehendem Kimono herein, stieß Okatsu und die anderen Dienerinnen beiseite und baute sich vor Fujino und den beiden Mädchen auf, ein triumphierendes Grinsen auf dem breiten Gesicht.
»Ich hab’s dir doch gesagt!« Er machte eine dramatische Pause. Taka stöhnte innerlich, überlegte, welcher Ärger sich denn jetzt schon wieder zusammenbraute. Seit der Abreise ihres Vaters war Eijiro durch das Haus stolziert, hatte den Herrn und Meister gespielt und allen Befehle erteilt. »Du erinnerst dich an das Schwert mit den goldenen Einlegearbeiten im Griff, das ich aus Aizu mitgebracht und in der Nische über dem Wohnbereich der Männer aufbewahrt habe?«
»Das Matsudaira-Schwert?«
»Ich hatte diesen Nobu von Anfang an in Verdacht. Er gibt sich zwar Mühe, seinen Akzent zu verbergen, aber hin und wieder höre ich dieses nördliche Näseln heraus. Du bist so angetan von ihm, dass ich wusste, ich bräuchte handfeste Beweise, daher habe ich ihn zu mir gerufen und gesagt: ›Ich habe da was zum Polieren.‹ Dann habe ich ihm das Schwert gezeigt. Du hättest sein Gesicht sehen sollen. Er ballte die Fäuste. Er zitterte. Er sah aus, als hätte er einen Geist gesehen. Er wusste genau, was es war, woher das Schwert kam und wie es in meinen Besitz gelangt sein musste. Ich dachte, er würde es aus der Scheide reißen und sich auf mich stürzen, so wie seine Augen blitzten. Endlich hatte ich seine unterwürfige Heuchelei durchbrochen. Da wusste ich es mit Sicherheit.« Er stemmte die Hände in die Hüften. »Ehrlich gesagt, überrascht war ich nicht. Ich konnte ihn vom ersten Moment an nicht leiden, als du ihn ins Haus gebracht hast. Er ist ein mürrischer Bursche. Allein wie seine Blicke herumschießen und alles in sich aufnehmen.«
»Und was ist dann passiert?«,
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