Die Tochter des Schmieds
geladen an der Wand hingen. Aber er hatte keinen Waffenschein. Timur
kam heim und hängte die Gewehre ab.
– Gül, sagte er zu seiner Tochter, Gül, geh raus, spiel ein bißchen.
Gül ging raus, doch als die Vorhänge zugezogen wurden, wurde sie neugierig. Wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte und
den Kopf schief hielt, konnte sie genau sehen, was drinnen passierte.
Letzten Winter hatte es von einem der Fenster gezogen, und Timur hatte bei der Reparatur gemerkt, daß unter der Fensterbank
ein Hohlraum war. Er war ein Mann, richtig, er würde seine Gewehre nicht irgend jemandem anvertrauen. Er riß das Brett der
Fensterbank hoch, versteckte die Gewehre im Hohlraum und nagelte das Holz wieder an.
Fatma schüttelte den Kopf, als er zufrieden lächelte, und deutete auf die Haken an der Wand. Timur zog sie mit der Zange heraus,
und sie hängten einen Wandteppich über die Stelle, um die Löcher zu verbergen.
Es vergingen drei Tage, bis die Gendarmen kamen. Sie hörten das Hufgetrappel, als sie sich gerade zum Abendessen setzen wollten.
Timur öffnete ihnen.
– Guten Abend, die Herren. Möge es etwas Gutes bedeuten, daß Sie unser Haus aufsuchen.
– Guten Abend, sagten die Gendarmen wie aus einem Mund, und einer fuhr fort: Können wir eintreten?
– Aber bitte, kommen Sie rein.
Gül war verängstigt, als sie die fremden Männer sah, alle in Uniform und zwei davon mit Gewehren. Der Unbewaffnete beugte
sich zu Gül hinunter.
– Hallo, kleines Mädchen. Wie heißt du denn, Liebes? … Hast du keinen Namen?
– Gül.
– Und dein Schwesterchen, das dort schläft, hat das auch einen Namen?
– Ja. Melike.
|34| – Gül und Melike also.
Er lächelte kurz, dann richtete er sich auf und wandte sich an Timur.
– Du bist Timur, der Schmied.
– Zu Diensten.
– Wir haben gehört, daß du Gewehre besitzt, obwohl du keine Erlaubnis dafür hast.
– Nein, sagte der Schmied. Ich habe keine Gewehre. Da haben Sie etwas Falsches gehört.
Der Mann bedeutete den anderen beiden mit einer Kopfbewegung, mit der Durchsuchung zu beginnen. Ohne Hast fingen sie an, die
Schränke zu öffnen, unter dem Diwan nachzusehen, zwischen den Matratzen und Kissen und unter den Teppichen neben dem Webstuhl.
– Kann ich den Herren etwas anbieten, fragte Fatma, möchten Sie vielleicht einen Kaffee?
Der Mann ohne Gewehr nickte, und einer der Gendarmen folgte Fatma in die Küche, während der andere weitersuchte.
Der unbewaffnete Mann setzte sich neben Gül, Timur nahm ihnen gegenüber Platz. Er wirkte völlig gelassen.
– Komm mal her, Kleines, komm mal her, Gül, sagte der Mann, nachdem er seine Kappe abgenommen hatte. Er zog Gül auf seinen
Schoß.
– Verstehst du dich gut mit deiner Schwester?
Gül nickte.
– Du bist sicherlich eine gute große Schwester, du paßt auf sie auf, nicht wahr?
Wieder nickte Gül.
– Schön, sag mal, wie alt bist du denn? … Weißt du das nicht? Du wirst doch nicht schon fünf sein? Oder sechs? Gehst du etwa
schon zur Schule? Oder noch nicht?
Gül schwieg. Sie nickte nicht, sie schüttelte nicht den Kopf, sie hielt einfach den Mund.
– Komm mal her, sagte der Mann zu dem Gendarmen, der unschlüssig im Zimmer herumstand und nicht wußte, wo er als nächstes
suchen sollte.
|35| – Schau mal, sagte er dann zu Gül und zeigte auf das Gewehr, schau mal, hast du so etwas schon mal gesehen?
Er lachte und streichelte ihr über die Wange.
– Du brauchst keine Angst zu haben, Gül.
Gül hatte keine Angst, sie fühlte sich nicht mal sonderlich unwohl auf dem Schoß dieses fremden Mannes. Sie schwieg einfach
nur.
– Du hast doch schon mal ein Gewehr gesehen, nicht wahr? Fast jeder Mann hat ja ein Gewehr. Das ist ganz normal, nicht wahr?
Dein Vater hat doch bestimmt auch eins, oder?
Fatma kam mit einem Tablett herein, sie bot erst dem Kommandanten eine Tasse Kaffee an, dann seinen beiden Gehilfen, die den
Kaffee zwar annahmen, ihn aber abstellten, ohne einen Schluck getrunken zu haben. Zunächst wollten sie noch den letzten Raum,
das Schlafzimmer, durchsuchen, in dem seit einigen Wochen das schmiedeeiserne Bett wieder stand.
Als letzter nahm Timur seine Tasse entgegen. Seine Hände zitterten nicht. Selbst wenn Gül sagte, daß ihr Vater ein Gewehr
hatte – was würde es schon ändern, wenn sie keines fanden?
– Einer sieht im Stall nach, rief der Kommandant ins Schlafzimmer hinüber und wandte sich dann wieder an Gül.
– Dein Vater hat ein Gewehr,
Weitere Kostenlose Bücher