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Die Tochter des Schmieds

Die Tochter des Schmieds

Titel: Die Tochter des Schmieds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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das kriegt dich glatt dazu,
     an der Tür deines ärgsten Feindes zu klopfen, so abhängig macht es. Jedesmal, wenn ich mir vornehme aufzuhören, rauche ich
     nur noch mehr und denke: So kurz vor Schluß, da kann ich noch mal. Aber es ist nie Schluß.
    |286| Über vierzig Jahre ihres Lebens wird sie rauchen, die letzten fünf Jahre nur eine oder zwei pro Tag, bevor sie auch auf die
     wird verzichten können. Eine Zigarette wird ihr immer wie ein Trost vorkommen, wie ein Halt. Etwas, das sie gerade nur für
     sich tut.
    Doch in diesem Sommer raucht sie ihren Schweigeanteil immer etwas widerwillig, genauso wie Sibel, die bald nur noch pafft,
     weil sonst ihre Hustenanfälle gar nicht aufhören wollen.
    – Still, sagt Melike, wenn jemand hustet, still, Vater wird uns hören.
    Seit er selber aufgehört hat, hat der Schmied kein Verständnis mehr für Raucher. Und niemand hat dafür Verständnis, daß Jüngere
     in der Gegenwart von Älteren etwas genießen. Es ist fast egal, was es ist.
    So sitzen die Schwestern hinten im Garten und teilen die Zigaretten, verbunden und versteckt, ganz so, als würden sie Geschichten
     über ihre Mutter erzählen.
     
    Am Ende dieses Sommers ist Gül erneut schwanger. Als Fuat das erfährt, sagt er nicht: Schön. Nicht: Der Allmächtige schenke
     uns einen Jungen. Weder: Freut mich. Noch: Das paßt nicht. Und nicht: Der Herr segnet uns. Er sagt:
    – Wir müssen uns etwas überlegen.
    Und Gül denkt sofort an die Arten der Empfängnisverhütung, von denen sie gehört hat. Es soll Präservative geben, doch wenn
     überhaupt, gibt es die in Istanbul. Man kann aufhören, vorher, doch daran scheint Fuat nicht zu denken.
    – Was heißt das? fragt sie. Was müssen wir uns überlegen?
    – Immer noch berühre ich Wildfremde im Gesicht, tagaus, tagein, ich racker mich ab, ich spare, ich spiele nicht, und? Null,
     null mal null und übrig bleibt null.
    – Wir werden satt, sagt Gül.
    – Ja, sagt Fuat, dem Herrn seis gedankt. Jeder Hinz und Kunz hat bald fließendes Wasser und Strom, es gibt Autos, und ich
     habe noch kein Moped, es gibt Wasserklosetts, es gibt Radios und Fernseher, Menschen lassen sich Häuser bauen, |287| und wir? Wir werden satt, ja, aber das kann doch nicht alles sein, oder? Willst du nicht schöne Kleider, willst nicht auch
     Nylonstrümpfe, willst du keine Waschmaschine? Wie kannst du hier sitzen und zufrieden sein? Du, du hast doch gesehen, wieviel
     schöner das Leben ist, wenn man Geld hat. Dein Vater war doch auch mal reich. Und wir, wir haben nie etwas gehabt. Mein Vater
     ist Kutscher. Als Kind bin ich hungrig ins Bett, verstehst du? Und deine Kinder, willst du sie später hungrig ins Bett schicken
     und auf ein staatliches Internat, weil du nicht genug Geld hast? Geld, Gül, die Welt dreht sich um Geld, Geld öffnet dir die
     Türen.
    Gül hat sich nie vorgestellt, viel Geld zu haben, doch jetzt gerade gibt sie Fuat recht. Ja, ihren Kindern soll es mal besser
     gehen, sie sollen nicht auf ein staatliches Internat, sie sollen Geld bekommen, wenn sie Geld brauchen. Für ein Foto oder
     einen nachtblauen Stoff oder zwei Meter mehr für eine lange Schleppe am Brautkleid. Ja, sie sollen es bekommen, aber Geld
     löst keine Probleme. Das ist zumindest das, was Gül aus den Fotoromanen gelernt hat, wo das Unglück an den Kindern der Reichen
     hängt wie ein Schatten.
    – Was willst du machen? fragt sie Fuat.
    Fuat zieht die Lippen leicht ein, preßt sie aufeinander und sagt dann:
    – Ich finde etwas.
    Schweigsam ist Fuat in diesem Herbst. Nicht, daß er sonst viel geredet hätte, aber in diesem Herbst ist er schweigsam. Er
     geht seltener mit seinen Freunden weg, und er trinkt auch weniger. Oft sitzt er einfach nur da, und die Zigarettenkippen häufen
     sich vor ihm. Steck noch eine an, mag er sich sagen, steck noch eine an, null mal null, und übrig bleibt null, steck noch
     eine an in diesem Leben, in dem wir uns abrackern, während die Reichen sich das Essen kommen lassen, in schicken Limousinen
     kutschiert werden und sich keine Sorgen zu machen brauchen, ob den Menschen die Haare schnell genug nachwachsen oder am Ende
     ganz ausfallen. Menschen, die sich nicht kratzen müssen, weil ein Haar immer den Weg |288| ins Hemd findet, egal, wie sehr man achtgibt, ein verdammtes Haar verirrt sich immer ins Hemd. Menschen, die sich nicht den
     ganzen Tag das gelbliche, fettglänzende Schmalz in den Ohren anderer ansehen müssen. Schmalz, das so dick ist, daß es bei
     der

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