Die Tochter des stählernen Drachen
eine Freistellung gesagt? Du meinst, ich könnte mich aus dem Zehent freikaufen?«
»Vergiß, daß ich irgendwas gesagt habe. Es würde dich sowieso mehr Geld kosten, als du hast.«
Wie sich herausstellte, wären die Kosten für einen Freikauf vom Zehent gelinde gesagt astronomisch. Jane blieb vor Dr. Nemesis’ Büro stehen, um sich zu informieren, obgleich sie bezweifelte, die Kosten aufbringen zu können. Sie hatte die Broschüre an jenem Nachmittag in der Handtasche, als Ratsnickle vorbeischaute und nach den Handschuhen fragte.
Er fing sie beim Verlassen des Präplabors ab. Die Metalltüre fiel leise klickend hinter ihr ins Schloß und schottete die Reihen von Kadavern auf ihren Chrompritschen ab. Die Kühlräume befanden sich am Ende einer düsteren Sackgasse, daher herrschte so spät am Tag nur sehr wenig Betrieb. Die Flure waren ruhig.
Vorn, wo der Flur eine Biegung machte, versperrte Monkey mit ihrem Rad den Weg. Ratsnickle schlenderte neben ihr her.
Jane blieb stehen.
Ratsnickle ließ Monkey zurück und kam auf Jane zu. Sie wartete, auf alles vorbereitet, was er zu sagen haben mochte.
»Hast du gehört?« fragte er. »Sirin ist auf dem Gift.«
»Was? Das glaube ich nicht.« Nervös, weil es nur zu gut paßte, sagte Jane: »Sie würde das nicht tun. Sirin ist nicht so.«
Ein Schulterzucken. »Wenn du meinst.« Monkey unten im Flur lehnte sich an ihr Fahrrad, und ihre Augen waren zwei glühende Flecken des Hasses. »Du und ich, wir haben einiges zu besprechen.«
»Ich werde nicht für dich stehlen. Nicht jetzt, nie wieder.«
»Es gibt mehrere Wege zu einem Ausgleich zwischen uns.«
»Ich bin dir nicht das geringste schuldig.«
»Ach ja?« Ratsnickle hob die Augenbrauen. Er streckte die Hand aus. »Gib mir die Faunlederhandschuhe, dann sind wir quitt. Ich werde aus deinem Leben verschwinden, und du wirst mich niemals mehr wiedersehen.«
Jane sagte nichts. Es gab nichts zu sagen.
Ratsnickle warf einen Blick über die Schulter, um sich davon zu überzeugen, daß niemand außer ihr und Monkey in der Nähe war. Dann knöpfte er sich langsam und auf eine Weise die Hose auf, die er wohl für verführerisch hielt, und zog den Penis heraus.
Unwillkürlich verspürte Jane ein Gefühl des Ekels. Penisse hatten sie niemals um ihrer Schönheit willen beeindruckt, aber Ratsnickles Penis war besonders häßlich. Er war schwach grünlich; zweifelsohne hatte sein Sauberkeitsstandard irgendeinem Schimmelpilz oder mikroskopisch kleinen Moos erlaubt, sich darin einzunisten.
Er beobachtete sie gierig, und ein elektrisierendes Grinsen lag auf seinem Gesicht. Sein Penis wurde in kleinen zuckenden Stößen hart. Er sah aus wie ein bizarres Gummispielzeug, das mit einer Handpumpe aufgeblasen wurde.
»Steck ihn besser weg, ehe er anfängt, Fliegen anzuziehen«, sagte Jane.
Ratsnickles Gesicht verzerrte sich vor Ärger. »Du Scheinheilige! Ich hab dich genau beobachtet - dir hat gefallen, was du gesehen hast. Du hast nicht genug davon kriegen können. Du hast dich gleich hier und jetzt auf mich stürzen wollen.« Aber immerhin schob er den Penis zurück in die Hose und knöpfte sie zu.
»Komisch. Nie hat man eine Heckenschere zur Hand, wenn man sie braucht.«
Ratsnickle zog die Hose hoch, und einen Augenblick lang glaubte sie, er würde sie schlagen. Statt dessen jedoch packte er ihre Hand mit beiden Händen und küßte die Fingerknöchel. » Touché , reizende Dame. Aber eine Berührung ist kein Duell, noch entscheidet ein einziges Gefecht die Schlacht. Wir werden uns auf dem Schlachtfeld wiedersehen - liebste Feindin.«
Er stolzierte davon, ohne sich umzuschauen, ob Monkey ihm überhaupt folgte.
Sobald er verschwunden war, verzog sich Jane rasch ins nächste Bad, um sich die Hände zu waschen.
Das Bad war gekachelt und in einem glänzenden Schwarz gestrichen. In die Farbe waren gewissenhaft Graffiti eingeritzt worden. Durch die verschiedenen Farbschichten sah man mehrere Generationen eckiger Runen; Palimpseste des Ärgers und hingeworfener Obszönitäten. Gewellte Spiegel hingen schräg über den Waschbecken, so daß Jane zu dem verzerrten Abbild ihrer selbst aufsehen mußte, um das Make-up zu überprüfen. Eine an- und abschwellende Monkey schwamm im Spiegel auf sie zu.
Monkey hatte offenbar nicht mehr alle Sinne beisammen. Ihr Gesicht war rot, sie hatte die Fäuste geballt und das Haar war völlig aufgelöst. »Du Luder! Du Katze! Nimm gefälligst deine verfickten Krallen aus meinem Liebling!«
»Du
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