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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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Bustier hob und drückte die Brüste so, daß sie sich anfühlten, als ruhten sie auf Muschelschalen. »Gefällt es dir, was sie mit meinem Löffel gemacht haben?« Sie ließ ihn neckisch am Ende seines Kettchens baumeln.
    Galiagante nahm den Löffel und warf einen Blick auf beide Seiten. Der Stiel war von Zwergenkunsthandwerkern zu einer komplexen Spirale gedreht worden, damit seine allegorische Bedeutung deutlicher zum Ausdruck kam. Der eigentliche Löffel war flach gehämmert und zu einem Relief der Göttin umgearbeitet worden; er zeigte auf der Vorderseite viel Busen und Zellulitis, auf der Rückseite Hintern und Geheimnis. »Du bist eine Persiflage.« Er ließ den Löffel los. »Das reicht nicht aus.«
    »Ich könnte mich viel besser verkaufen, wenn ich nur genau wüßte, als was du mich verpackst.«
    »Du bist noch immer in der Entwicklungsphase. Die genauen Einzelheiten sind unwichtig.«
    »Aber ich ...«
    »Wenn du dich nicht bezahlt machst«, sagte Galiagante, »werde ich dich dorthin zurückbringen, woher du gekommen bist.« Die Betonung auf den letzten vier Worten war zu deutlich, um absichtslos zu sein. Er schnippte mit den Fingern und sagte über die Schulter: »Sie soll sich zeigen! Führ sie herum!« Wie ein Berg, der sich in Nebel hüllt, entzog er ihr daraufhin seine Gegenwart.
    »Fata Jayne«, sagte jemand ehrerbietig.
    Für Diener soll das Kinn auf eine Weise gehoben werden, daß es reserviert, jedoch nicht hochmütig wirkt. Diener, Zwerge und Gläubiger sind niemals wichtig genug, daß man sie brüskiert. Begegne ihrem Blick fest! Sieh weg, ehe du zu sprechen aufhörst! Behandle sie nicht wie Freunde, es sei denn, du hast gute Gründe für den Wunsch, daß sie sich vor Verlegenheit winden sollen.
    Jane wandte sich um. Ihr blieb der Mund offenstehen. »Ferret!«
    »Madame erinnert sich an mich.« Der grauhaarige Elf lächelte würdevoll und senkte den Kopf. Mit geschlossenem Mund und niedergeschlagenen Augen sah er nicht im geringsten gefährlich aus. »Ich fühle mich geehrt.«
    Jane war Ferret nur ein einziges Mal im La Jettatura begegnet, als er sie beim Ladendiebstahl erwischt hatte. Sie erinnerte sich jedoch lebhaft genug an ihn, daß sie seine Anwesenheit alarmierend fand. »Was tust du hier?«
    »Lord Galiagante hat Ihren Hintergrund überprüft. Im Verlauf dieser Überprüfung hat er mich gefunden. Galiagante gefällt sich darin, geistreich zu sein. Er hat mir eine Stellung zu Bedingungen angeboten, die ich nicht abschlagen konnte. Da bin ich also.« Ferret bot ihr den Arm. »Sind Sie Fata Incolore schon begegnet?«
    »Noch nicht. Sie ist Galiagantes Geliebte, nicht wahr?«
    »Oh, viel mehr als das.«
    Liebenswürdig plaudernd lenkte er sie ins Herz des Gartens.

    Die Fata Incolore stand neben einem flachen Teich, der in dem Licht glänzte, welches durch den durchsichtigen Grund heraufschien. Sie war in ein lebhaftes Gespräch mit drei Teggish-Intellektuellen verstrickt. Dunkle Fische schossen über die schimmernden Tänzer des Ballsaals darunter. Das wäßrige Licht brachte die modische ghulische Blässe der Fata voll zur Geltung. Angesichts ihrer Kleidung kam sich Jane wie eine Karikatur vor.
    Ferret murmelte Jane ins Ohr: »Die in Blau ist Fata Jouissante. Sie hat alle Aussichten, bei den kommenden Wahlen die Linke Kandidatin für den Senatorenposten zu werden, und sie hat sogar noch bessere Aussichten, die Fata Incolore in Galiagantes Gunst zu ersetzen. Sie muß sich bald entscheiden, denn sie kann nicht beides haben. Neben ihr steht der Lord Corvo. Corvo ist ein Archetyp seiner Klasse, reserviert, jedoch rasch im Zorn, sollte man sein Mißfallen erregen. Lachen Sie über alle seine Witze. Der Hagere in Purpurrot mit dem Federhut ist ein Emporkömmling. Beachten Sie ihn nicht weiter!« Er ließ Janes Arm los und verschwand im Hintergrund.
    Sie näherte sich der Gruppe. Da alle so tief ins Gespräch verstrickt waren, bemerkte keiner von ihnen Janes Anwesenheit.
    »Aber gewiß, Fata Incolore ...«
    »Die Experimente mit gefolterten Chimären haben bewiesen, da werden Sie beipflichten, daß ...«
    »Ist es nicht möglich, daß ...«
    Fata Incolore schüttelte ungeduldig den Kopf. »Jedermann versucht, Analogien zwischen den beiden Welten herzustellen. Sie sind die untere und wir die obere Welt. Wir das Schiff und sie der Anker. Sie die Wirklichkeit, wir der Traum. Lächerlich. Die Welten sind einfach zwei verschiedene Ebenen des physikalischen Daseins. Unsere Welt existiert auf einem

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