Die Tochter des stählernen Drachen
vielen Delikatessen muß man sich an den Geschmack erst gewöhnen.« Er richtete das Messer auf sie. »Mund auf!«
Jane wollte schon den Kopf schütteln. Aber angesichts des Ausdrucks, der über Corvos Gesicht glitt, überlegte sie es sich rasch anders. Sie öffnete den Mund. Er steckte die Kostprobe hinein. »Nicht schlecht, hm?«
Es fühlte sich kalt und gummiartig an, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie hatte jedoch nicht erwartet, daß es so stark gewürzt wäre. Ihr trat das Wasser in die Augen. »Wunderbar«, keuchte sie.
»Dann erregt es Sie also, sich etwas Neues in den Mund zu stecken.« Der Emporkömmling war offenbar sehr zufrieden mit dem eigenen Esprit. Die Fatas wirkten gelangweilt.
»Ich weiß mit Sicherheit nicht, was Sie meinen«, sagte Jane kalt.
»Gewiß.«
»Entschuldigen Sie mich.« Fata Jouissante schob den Emporkömmling beiseite. »So macht man das nicht.« Sie zog sich einen Handschuh von der Hand und berührte Jane zart mit einer Fingerspitze am Handgelenk. Ein heißes Verlangen lief Jane durch die Adern, und sie scheute wie ein Pferd. Ihr Bauch spannte sich, und ihre Brustwarzen richteten sich auf. Sie sah hinauf in das Gesicht der Elfen-Lady und kam sich dabei in einer Weise offen und verwundbar vor, die ihr gar nicht gefiel. Aber sie konnte nichts dagegen tun. Hätte sie es gewollt, so hätte die Lady sie auf der Stelle in ihr Boudoir führen können. Und jeder wußte es.
»Also gut«, sagte Jane hitzig. Sie krümmte die Finger wie eine Straßenkämpferin, die die Fata zum Kampf herausfordern wollte. »Wenn Sie es so wollen. Gleich hier, gleich jetzt. Auf dem Boden. Vor Ihren Freunden.«
Jouissante wurde böse.
Erst regte sich niemand. Dann lachte Fata Incolore auf, und der Bann war gebrochen. »Ihr beide seid jetzt quitt«, sagte sie. Und dann, nicht unfreundlich: »Aber versuch nicht, dich in die Politik einzumischen, meine Kleine. Es ist ein gefährliches Spiel, noch dazu ein Spiel, das dich zerbrechen wird, wenn du nicht achtgibst.« Sie wandte Jane den Rücken zu. Es erfolgte eine leichte Verschiebung innerhalb der Gruppe, und plötzlich war Jane ausgeschlossen. Ebenso wie auf der anderen Seite der Emporkömmling.
Sie stahl sich davon.
Der Emporkömmling beeilte sich, mit ihr Schritt zu halten. »Gesellschaftlich gesehen bin ich ein Aussätziger«, beklagte er sich bitter. »Haben Sie gesehen, wie diese beiden Zicken mich behandelt haben?«
»Um ganz aufrichtig zu sein«, sagte Jane, »nein.«
»Dieses Luder Jouissante hat mir regelrecht das Wort abgeschnitten, als ich gesprochen habe. Sie hat mich beiseite geschoben - mich! -, als wäre ich ein Niemand.«
In vertraulichem Tonfall teilte er ihren Brüsten mit: »Mein Haus ist alt, gleichgültig, wie neu unser Wohlstand auch sein mag. Hören Sie nicht auf die bösen Zungen, die behaupten, der Stammbaum sei unecht. Der Ruf ist so gut wie wiederhergestellt und das Schwert unserer Vorfahren wieder geschmiedet.«
»Hören Sie«, sagte Jane, »was genau muß ich sagen, um Sie loszuwerden?«
»Nun, gar nichts.« Grinsend schwang er seinen Hut zur Parodie einer höfischen Verbeugung. »Meine liebste Fata Jayne, ich bin Ihr Kavalier, Ihr liebeskranker Verehrer, Ihr völliger Sklave.«
»Mein lieber Sir.« Ferret tauchte vor ihnen auf und verneigte sich. »Ich glaube nicht, daß ich bereits das Vergnügen hatte.«
Der Emporkömmling starrte ihn mit offenem Mund und hervorquellenden Augen an. »Apollidon«, sagte er schließlich.
»Angenehm.« Ferret faßte Jane beim Arm. »Sie werden uns gewiß entschuldigen.«
Ein Treppenhaus schwang sich aus der Nacht hinaus in die Helligkeit. Sie stiegen die Stufen hinab. Von oben aus gesehen, waren die Gäste wie Blütenblätter, die in fließendem Wasser umhertrieben. Sie glitten sicher und leicht dahin, vereinten sich zeitweilig, kreisten langsam umeinander und wurden dann von leichten Brisen, die ansonsten nicht wahrzunehmen waren, wieder auseinandergetrieben.
Eine Nixe eilte mit einem Tablett frischer Getränke die Stufen herauf. Janes Glas war leer. Ferret nahm es ihr aus der Hand, setzte es nieder und ergriff einen perlenden Ersatz, ohne daß das Kind auch nur langsamer geworden wäre.
An jenem Abend war kein Tropfen Alkohol über Janes Lippen gekommen. Das Numen so vieler hochrangiger Elfen an einem Ort war so stark, daß sogar die Luft im schwindelerregenden Zauber ihrer Gegenwart funkelte; Jane war zumute, als würde sie in Champagner baden. Ein einziger Schluck wäre
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