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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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und Teggish-Anwälte irrten ziellos umher, während Models, Powries und Leshiye aufgeregt miteinander sprachen und dabei wild nach oben zeigten. Drei Männer hatte eine große Glocke herausgeholt und schlugen langsam und stetig Alarm.
    Sie starrte hinüber. Weit oben gab es einen Lichtblitz, dem ein fernes Rumpeln folgte, wie Donner. Jane war zumute, als hätte man ihr in den Magen getreten. Jegliche Freude brach in sich zusammen. Es war vorüber. Alles war vorüber.
    Eine Grünjacke ritt heran und schob die Menge mit der metallenen Brust seines Reittiers gewaltsam vom Gebäude weg. »Zurückbleiben!« befahl sie Jane.
    »Aber ich muß rein!«
    »Niemand geht rein. Das ist Sache der Polizei!« Er legte die Lanze gegen sie an, und sie mußte wohl oder übel den Rückzug antreten. Weitere Grünjacken kamen und sperrten das Gebäude ab.
    Etwas regte sich in jenem dunklen Teil ihres Gehirns, den der Drache in der Nacht zuvor geräumt hatte. Melanchthon war zurückgekehrt, eine wortlose und bezwingende Gegenwart. Ein drängendes kaltes Gefühl erfüllte Jane. Sie mußte an den Absperrungen vorbei. Sie zog Incolores Maske hervor und untersuchte kritisch das Innere. Die Funktionsweise war ihr im großen und ganzen klar. Sie war sicher, sich damit unsichtbar machen zu können, wenn sie nur etwas Salmiaksalz, Tinktur der Röte und ein Holunderblatt auftreiben konnte. Die Maske würde innerhalb von fünf Minuten ausbrennen, aber fünf Minuten wären ausreichend.
    An der Ecke befand sich eine Apotheke. Sie lief los.

    Alle Passagieraufzüge waren von der Hitze in den brennenden Stockwerken angezogen worden wie Motten von einer Kerze. Aber die Lastenaufzüge waren einfachere Wesen, die per Hand bedient wurden. Jane rief einen herab.
    Dreimal während der langsamen, bebenden Fahrt hinauf ins dreiundsiebzigste Stockwerk erfolgten Explosionen. Jedesmal hielt sie die Kabine an und wartete, ob die Maschinerie beschädigt wäre oder die Welle eine Unwucht bekommen hätte. Jane befürchtete, das Feuer könnte ihr den Weg versperren, aber als sie auf der eigenen Etage eintraf, lag darüber nur ein leichter Rauchschleier. Es war plötzlich ganz ruhig geworden. Auf der Zunge schmeckte sie verbranntes Plastik und verkohltes Holz.
    Jane trat in den Flur, dessen Fußboden sich geneigt hatte. Ihre Maske wurde heiß, und sie riß sie sich vom Gesicht. Von Blasen bedeckt und zerbröckelnd, fiel sie zu Boden und ging in Flammen auf. Jane ließ sie brennend hinter sich zurück.
    Die Tür zu Apartment 7332 fiel bei ihrer Berührung aus dem Rahmen.
    Ihr Apartment war dem Erdboden gleichgemacht und das Mobiliar völlig zertrümmert worden. Die Innenwände waren verschwunden. Hier und da hingen ausgefranste, nach außen gebogene Latten wie Fächer von der Decke herab. Der Drache stand völlig frei da, eine Klippe schwarzen Eisens.
    Ferret lag in der Mitte des Raums, an der Seite ein kurzes zweischneidiges Schwert. Es war ein Athame - Jane erkannte es am schwarzen Griff und dem kaum wahrnehmbaren Zerren der magnetisierten Klinge wieder.
    Er war tot.
    Winzige, verschrumpelte schwarze Körper lagen über den Fußboden verstreut und bildeten an den Wänden Verwehungen. Zu Tausenden waren die Meryons hier zu Tode gekommen. Jetzt endlich war ihre Nation ausgestorben. Obgleich sie ja eklige kleine Faschisten gewesen waren, merkte Jane, daß ihre Auslöschung sie mit Entsetzen erfüllte.
    Ohne bewußte Absicht kniete sie neben Ferret nieder und strich ihm über das kurze silbrige Haar. Es war weich, so weich. Im Tod war sein Gesicht offen, harmlos und unschuldig. Zu spät bereute sie es, niemals freundschaftlich mit ihm umgegangen zu sein. Was hätte er für ein Freund sein können! Und jetzt war er dahin.
    »Wer hätte gedacht, daß soviel Energie in ihm steckte?« murmelte sie.
    »Nicht die ganze Zerstörung war sein Werk«, knurrte Melanchthon. »Weniger als die Hälfte.«
    Sie sah ihn an.
    »Dein Meister Ferret war ein Narr. Er wollte das Vergnügen haben, mich selbst gefangenzunehmen. Aber er war kein solcher Narr, daß er nicht eine Nachricht hinterlassen hätte. Bald werden andere hier sein, und sie werden alles andere als Narren sein. Ich hätte gern einen weiteren Monat zur Vorbereitung gehabt. Aber für unsere Bedürfnisse haben wir genügend Macht und sogar noch mehr. Es ist Zeit zu gehen. Es ist Zeit für uns, durch das Höllentor zu schreiten und unseren Angriff auf das Spiralschloß zu starten.«
    Jane hob den Kopf.
    Sie hätte sich

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