Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
Vom Netzwerk:
Goldlamé-Anzug und prüfte mal wieder dessen Sitz. Gwen war beim Festbankett in der Stadt. Alle sprachen darüber. Es würde Champagner und Ansprachen geben, und eine Suite war für die anschließende Orgie reserviert. Also war Peter allein.
    Jane verspürte Mitleid mit ihm, er sah so bleich und asketisch aus, wie ein erschöpftes, mißbrauchtes Kind. Eine Handsichel ruhte auf dem Ankleidetisch. Sie wandte den Blick davon ab. »Ich hab etwas Wein mitgebracht. Ich hab mir gedacht, ein Glas oder zwei würden die Dinge heute abend für dich leichter machen.«
    »Danke«, sagte er zerstreut. »Das ist wirklich nett von dir.«
    »Keine Ursache.«
    Sie stellte die Kanne auf den Fußboden und legte ihre Handtasche daneben. Die Handtasche enthielt das Minimum dessen, was sie benötigen würde, falls alles funktionierte: eine Zahnbürste, die steinerne Mutter und Unterwäsche zum Wechseln. »Wo sind deine Gläser?«
    Peter ging ins Bad und kam kurz darauf ohne Jackett wieder heraus. Er hielt zwei Dessertgläser in den Händen. »Werden’s die hier tun?«
    »Sie sind bestens«, versicherte sie ihm.
    Jane wartete, bis Peters Glas nahezu leer war, und füllte es dann erneut. Sie hatte Bauchschmerzen dabei, aber sie mußte der Sache auf den Grund gehen. »Peter«, fragte sie, »bist du wirklich jungfräulich?« Wobei sie dachte, es könnte vielleicht ein schrecklicher Irrtum bestehen, irgendein Mißverständnis ihrerseits.
    Er nickte. »Die Göttin möchte keine Gebrauchtwaren.« Er nahm einen kräftigen Schluck. »Du bist in letzter Zeit nicht oft hier gewesen.«
    »Gwen und ich hatten so eine Art Streit miteinander. Ich ... äh ... habe herausgefunden, daß sie dich als Sündenfresser benutzt hat.« Seine Miene wurde steinern und sein Gesicht noch weißer, und sie fügte eilig hinzu: »Sie hat’s mir nicht gesagt; das habe ich selbst herausgefunden.«
    »Nun, ich wäre dankbar, wenn es nicht die Runde machte, ja?«
    Sie berührte ihn an der Schulter. »He. Du weißt, so was würd ich nie tun.« Er drehte den Kopf, sah sie an und blickte dann wieder weg und nickte verschwommen. Erneut füllte sie ihm das Glas. »Peter? Kann ich dich was Persönliches fragen? Siehst du, ich will wirklich nicht ... ich meine, es ist nicht so ...« Sie wurde rot. »Was genau tut ein Sündenfresser eigentlich?«
    Peters Kopf fuhr erneut herum, und sie starrte in die entsetzten, unergründlichen Augen eines Waldtiers. Einen Augenblick lang war er still. Dann brach ein jähes Gelächter aus ihm heraus, das ihn flach aufs Bett warf. Er heulte und heulte so lange, daß sich Jane allmählich Sorgen machte. Schließlich nahm er sich jedoch wieder zusammen und setzte sich auf. Alle Anspannung war aus ihm gewichen. »Weißt du, wie das manchmal ist, wenn man dich wirklich mies behandelt hat, und dann kannst du, sagen wir, einem Hund einen Tritt versetzen und fühlst dich besser?«
    »Nein.«
    Peter senkte den Kopf. »Nun, um die Wahrheit zu sagen, ich weiß es auch nicht. Aber so ist es anscheinend. So was Ähnliches macht Gwen mit mir. Sie haben ihr dieses besondere Zeremonienmesser und ein Büchlein mit den verschiedenen Runen geschenkt. Meistens benutzt sie allerdings eine Rasierklinge.«
    »Peter!«
    »Nein, wirklich - ohne Blut gelänge es nicht. Hier, ich zeig dir die Narben.« Er machte sich daran, das Hemd aufzuknöpfen. Seine Bewegungen waren jetzt reichlich unbeholfen, und Jane wollte ihm helfen. Da auch sie ziemlich viel getrunken hatte, gab es einiges Durcheinander. Schließlich zogen sie das Hemd lachend weg. Peter drehte sich um, und sie sah, daß sein Rücken mit magischen Zeichen übersät war, die mit einem Rasiermesser eingeritzt worden waren. Reihe um Reihe von Runen, ein Buch des Schmerzes. Einige waren frisch und verschorft; die übrigen weiß und dünn. Jane erkannte Gwens ordentliche Handschrift wieder.
    Verwundert berührte sie die silbrigen Zeichen. Die Haut war heiß. Sie folgte den Runen mit den Fingerspitzen. Sie mußte sie immer wieder streicheln, sie mußte ihn immer wieder berühren. »Armer, armer Peter.«
    Er richtete sich auf und sah blicklos auf ein Poster von Gwen, das an die Wand geheftet war. Ihr Blick war direkt, spöttisch, rätselhaft. »Möchtest du wissen, was das Schlimmste dabei ist? Ich meine, schlimmer als das andere, denn was macht es mir schon, wenn der Rücken ein bißchen juckt? Das Schlimmste ist, wie sehr es mich nach ihr verlangt. Ich kann sie nicht ausstehen, aber ich begehre sie so sehr.« Er

Weitere Kostenlose Bücher