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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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das Ausbleiben einer Nachricht erfinden, um ihre Herrin zu beruhigen. Was man von den Straßen nach Norden hörte, war nicht ermutigend. Seit der Schlacht bei Pavia zogen neben den regionalen Banditen Söldnergruppen durch die Lombardei, plünderten Gehöfte und kleine Dörfer und mordeten, wer immer sich ihnen in den Weg stellte. Vereinzelt waren diese Mordknechte schon über den Apennin bis hinunter in die Garfagnana gesichtet worden. Wenn der Reisetross der Rimortellis diesen Mördern zum Opfer gefallen war und man sie in der Einsamkeit der Berge in einer Schlucht verscharrt hatte, würde es auch keine Nachricht geben. Sie musste selbst ihre Tränen unterdrücken, nahm Beatrices Hände in ihre und schickte ein stummes Gebet zum Himmel.
    Â»Da kommt Giorini!« Erfreut sah Ines dem Verwalter entgegen, der in Begleitung des Malers, zweier Knechte und einer Dienerin herbeieilte.
    Umsichtig hatte Giorini an eine Sänfte gedacht, die die Knechte neben dem Pavillon absetzten. Er gab den Knechten ein Zeichen, und Beatrice wurde vorsichtig in die Sänfte gehoben. Pontormo wickelte seine Pinsel und Farben in ein Tuch, stopfte alles in einen Lederbeutel und sagte zu Ines: »Ich habe mich für Empoli entschieden. Gebt mir Nachricht, wie es Eurer Herrin geht. Werdet Ihr das tun?«
    Â»Natürlich, Meister Pontormo. Das Bildnis ist wundervoll. Geht mit Gott.«
    Pontormo schulterte sein Bündel und ging davon. Eine hochgewachsene Gestalt, deren abgerissene Kleidung nicht darauf schließen ließ, dass der Mann ein begnadeter Künstler war.
    Zusammen mit Giorini folgte Ines der Sänfte und erklärte dem Verwalter die Wünsche ihrer Herrin.
    Â»Ich schicke sofort einen Boten nach Lucca, um den Medicus herbringen zu lassen. Wird er auch kommen?«
    Â»Wenn er hört, dass es um Madonna Beatrice geht, sofort! Er steht der Familie seit vielen Jahren nahe. Aber sagt, Signor Giorini, gibt es immer noch keine Kunde aus Nürnberg?«
    Â»Nein.« Trotz seiner zurückhaltenden Art wirkte Giorini angespannter als normal. »Ich will kein Unheil heraufbeschwören, Ines, aber es gibt Gerüchte über ein schreckliches Unglück am Cisapass. Dort sollen deutsche und italienische Kaufleute zu Tode gekommen sein.«
    Ines’ Herz setzte für Sekunden aus. »Zu Tode gekommen? Wer? Wie? So sprich doch, Ricardo!« Verzweifelt packte sie das Wams des Verwalters.
    Der machte ihre Hände los und hielt sie fest. »Das Letzte, was deine Herrin braucht, ist eine Hiobsbotschaft. Wie gesagt, ich weiß nichts Genaues, alles nur Gerüchte, aber sei auf den schlimmsten Fall gefasst. Der Maler hat mir geschildert, wie es zum Zusammenbruch der Madonna gekommen ist. Da Signor Federico keine Rücksicht auf seine Frau nimmt, müssen wir alles tun, um sie zu schützen.«
    Ines schluchzte, in Giorinis beschwörenden Worten lag mehr drohende Gewissheit als Hoffnung.
    Er schüttelte sie. »Reiß dich zusammen! Du darfst weder Furcht noch Trauer zeigen. Ich spreche auch mit der Signora. Für eine Gebärende wird sie Verständnis aufbringen. Sieh mich an!«
    Der Druck um ihre Handgelenke verstärkte sich, und durch einen Tränenschleier sah sie in Giorinis kluges Gesicht. »Herr, beschütze mich!«, flüsterte sie und schluckte verzweifelt ihre Tränen hinunter.
    Man brachte Beatrice in ihr Schlafzimmer, zog dünne Vorhänge vor die geöffneten Fenster, und eine Dienerin trug Vasen mit frisch geschnittenen Rosen und Lavendel herein. Ines ließ neues Zitronenwasser machen und Minzblätter hineinschneiden. Dann setzte sich Ines neben Beatrices Bett und achtete darauf, in welchen Abständen die Wehen einsetzten, denn dass es Wehen waren, daran bestand kein Zweifel mehr.
    Alba kam außer Atem mit einem frisch geschnittenen Strauß Feldblumen ins Schlafzimmer gerannt und sah sich ängstlich um. Ines warf ihr einen ungeduldigen Blick zu. »Stell die Blumen ins Wasser, und dann troll dich, Mädchen. Hier können wir dich nicht brauchen.«
    Bekümmert befolgte sie die Anweisung und ging mit hängendem Kopf hinaus.
    Noch nie in ihrem Leben hatte Beatrice solche Schmerzen ertragen müssen. Sie schrie auf, als die nächste Welle sie überrollte. Keuchend krallte sie sich am Laken fest, um eine normale Atmung bemüht, doch das Luftholen entzog sich ihrer Kontrolle, und scharfe, flache Atemzüge waren alles, was ihr

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