Die Tochter des Tuchhandlers
Körper zulieÃ. Sie hörte Ines sprechen, verstand jedoch nicht die Worte und entglitt in ein irreales Land, das aus Farben und Lauten bestand. »Mutter, wo bist du? Ich brauche dich!«
Langsam ebbten die Krämpfe ab, und sie öffnete erschöpft die Augen. »Ines, bist du da?«
»Ja, Madonna, ja, ich bin bei Euch. Möchtet Ihr etwas trinken?«
Beatrice trank das frische Wasser und sank wieder in die Kissen zurück. »Der Maler ist fort, nicht wahr?«
»Wenn Ihr Euch aufsetzt, könnt Ihr das Bild sehen. Ich habe es heraufbringen lassen.«
Tatsächlich stand die auf einen Holzrahmen gezogene Leinwand auf einem Tisch an der Wand gegenüber ihrem Bett. Die leuchtenden Farben der Vögel auf dem Kleid überstrahlten alles andere im Raum. Pontormo hatte sie mit offenen Haaren gemalt. Es gab nur wenige Porträts, in denen sich der Maler diese Freiheit genommen hatte. Sie kannte die »Flora« von Tizian und Botticellis »Venus«, aber beides waren mythologische Themen. Von Lucrezia Borgia gab es ein ähnliches Porträt, wenn sie sich richtig erinnerte. Aber ein Porträt lieà man nicht für sich selbst malen. »Ich werde das Bild meinen Eltern schenken.«
Es dauerte eine Weile, bis Ines murmelte: »Eine gute Idee, obwohl es in einem der Salons im Palazzo von Lucca auch sehr schmückend wäre.«
»Nein. Meine Eltern werden es mehr zu schätzen wissen.«
»Ich gehe kurz in die Küche, Madonna.« Bevor Beatrice einen Einwand erheben konnte, war Ines schon zur Tür hinaus und lieà sie mit ihren Gedanken allein.
Am Abend traf die Hebamme ein, eine kräftige Person mit rotem Gesicht und abgearbeiteten Händen. Sie hatte an diesem Tag bereits zwei Kinder zur Welt gebracht und betrachtete Beatrice ein wenig gelangweilt. Sie fragte Ines nach Dauer und Stärke der Wehen, drückte an Beatrices Leib herum, legte dann ihren Kopf darauf und horchte. Der Gestank von fettigem Haar lieà Beatrice hüsteln, sie traute sich jedoch nicht, den glänzenden Haarschopf von sich zu schieben, und versuchte, die Luft anzuhalten.
»Sag deiner Herrin, dass sie atmen soll, sonst kann ich nichts hören«, kam es knurrend aus den stinkenden Haaren.
Ines schickte Beatrice einen Blick, der ausdrücken sollte, dass es gleich vorüber sei.
Als Beatrice jetzt die Luft einsog, verursachte die Mischung aus KörperschweiÃ, Talg und Dreck einen solchen Brechreiz, dass sie nicht anders konnte, als zu würgen. Bevor sie sich über die Bettkante in einen Eimer übergab, den Ines rasch bereitgestellt hatte, hob die Hebamme den Kopf und stellte sich mit in die Hüfte gestemmten Händen vor dem Bett auf.
»Das ist ihr erstes Kind?«
Ines nickte.
»Dachte ich mir. Wird nicht leicht. Sie hat ein schmales Becken, aber heute oder morgen passiert nichts. Ruft mich in drei Tagen wieder her, dann sehen wir weiter.« Sie bückte sich nach einem schmutzigen Stoffbeutel, wand sich den Bastriemen um den Körper und stapfte zur Tür.
Mit dem Kopf über dem Eimer sah Beatrice die verwachsenen FuÃnägel und verdreckten FüÃe der Hebamme, die in ausgetretenen Bastschuhen steckten, und spuckte den Rest ihres Mageninhalts aus. Erschöpft legte sie sich zurück und schloss die Augen.
»Ihr könnt Euch beruhigen. Sie ist weg.« Mit einem Lächeln berührte Ines leicht ihre Schulter. »Ich habe ihr einen halben Scudo gegeben, damit wir sie jederzeit rufen können.«
Beatrice stöhnte. »Ich will sie gar nicht wiedersehen, Ines. Hast du nicht gerochen, wie sie stinkt? Diese vor Dreck stehende Person soll mich anfassen und mein Kind auf die Welt holen? Dann können wir auch Plantilla holen lassen. In drei Tagen ist sie zweimal hier und mir tausendmal lieber als dieses Monster aus den Bergen.«
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Ansari traf am Mittag des übernächsten Tages ein. Giorini hatte einen Wagen nach Lucca geschickt, doch der persische Medicus hatte es vorgezogen, auf seinem Pferd herzureiten. Lorenza, die über alles informiert war, lieà Ansari zuerst zu sich kommen, um sich Stärkungsmittel verordnen zu lassen.
Beatrice hatte sich damit abgefunden, dass die Wehen kamen und gingen. Jetzt stand Ansari endlich neben ihrem Bett und fühlte ihren Puls. Nachdem er ihre Hand abgelegt hatte, lächelte er. »Dass die Signora Diät halten muss, wollte sie nicht hören, also habe ich ihr
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