Die Tochter des Tuchhandlers
sie wollten nicht verhandeln â¦Â« Er schluckte und wischte sich die Augen. Seine Stimme war brüchig und kaum mehr zu verstehen, als er fortfuhr: »Es waren zu viele, und sie haben einfach alles niedergemetzelt, was sich bewegte. O Gott, ich werde das nie vergessen ⦠Ãberall Blut ⦠Die riesigen Kerle, die grinsend die Ãxte schwangen und blind drauflosschlugen. Meinem Freund haben sie vor meinen Augen den Schädel gespalten, den Frauen den Schmuck vom Hals gerissen, einer Signora haben sie die Finger abgeschlagen, weil die Ringe nicht herunterkamen, und unsere Bewaffneten fielen einer nach dem anderen. Sie zogen tapfer die Säbel, aber gegen die Mordknechte kamen sie nicht an. Die Schreie, das Wimmern der Frauen, die â¦Â« Erschrocken hielt er inne, verbarg die Stirn in der gesunden Hand und schluchzte.
Beatrice lag regungslos in den Kissen, die Augen weit aufgerissen. Nein, dachte sie immerfort, nein, nicht meine Mutter, nicht das, nicht meine Mutter.
»Die Mörder haben alles Wertvolle mitgenommen. Am nächsten Morgen kamen Reisende vom Hospiz herauf und haben mich gefunden. Mit dem zertrümmerten Knie und der Kopfwunde wäre ich dort oben wohl auch bald gestorben. Und bei Gott, manchmal denke ich, es wäre besser gewesen. Nachts wache ich auf und höre ihre Schreie, das Knirschen von zerberstenden Schädelknochen und rieche das Blut â¦Â« Simeon weinte und wurde auf einen Wink Lorenzas von Ines hinausgebracht.
Der Medicus beugte sich zu Beatrice und hielt ihr einen Becher an die Lippen. »Ein kleiner Schluck noch, dann könnt Ihr vergessen.«
Sie schloss die Augen und lieà das süÃe Opiat die Kehle hinablaufen. In dieser Nacht hatte sie einen grässlichen Albtraum. Blut spritzte aus einem Rumpf, dessen Haupt einen felsigen Abhang hinunterrollte. Schwertklingen trafen aufeinander, heisere Schreie durchschnitten die Nacht, ein unheimliches Gurgeln, wenn eine Kehle durchtrennt wurde, der Geruch von frischem Blut, das die Erde, die Felsen, Mörder und Opfer besudelte, hing in der Luft und verursachte ihr Brechreiz. Söldner, die Helme mit gezacktem Visier trugen, rissen den Frauen die Mieder auf, vergingen sich an ihnen, barbarisch, roh, schlugen flehende Gesichter zu unkenntlichen Klumpen aus Fleisch, Knochen und Hirnmasse. Blicklose Augen starrten stumpf in den nächtlichen Himmel am Cisapass. Der Brechreiz wurde übermächtig. Würgend warf Beatrice sich auf die Seite und erbrach sich auf den Boden neben ihrem Bett. Es war mehr, als sie ertragen konnte.
»Madonna?« Verschlafen erhob sich Ines von ihrem provisorischen Lager an der Tür und wankte blinzelnd zu ihrer Herrin. Im Dunkeln sah sie das Erbrochene nicht und trat mit einem Fuà in die warme Masse. Nachdem sie eine Kerze angezündet hatte, sah sie Beatrice bleich in den Kissen liegen. Ihr Atem ging flach, und auf ihrem Bauch zeigte sich ein dunkelroter Fleck im weiÃen Leinenhemd. »Nein!«
Ohne auf die Lache am Boden zu achten, rannte Ines aus dem Zimmer und die Treppe hinunter zur Kammer der Dienerinnen. Mit der Faust schlug sie gegen die Tür. »Maria! Wach auf! Ich brauche dich und den Medicus!«
Anstelle von Maria erschien jedoch Alba an der Tür. »Ich weiÃ, wo der Medicus schläft, und gehe ihn holen!« Ohne zu zögern, lief das Mädchen im Hemd über den dunklen Flur davon.
Kurz darauf kam auch Maria heraus und rannte in die Küche, um Wasser über dem Feuer zu erhitzen. Ines eilte zurück zu ihrer Herrin, die noch immer mehr tot als lebendig auf dem Bett lag. Weinend strich Ines die klebrigen Haare aus Beatrices feuchtkalter Stirn. »Madonna, ich bin bei Euch. Ihr seid nicht allein. Giulia braucht Euch! Hört Ihr mich?« Mit der flachen Hand schlug sie Beatrice auf beide Wangen, bis die Augenlider sich flatternd öffneten.
»Was ist denn los? Ruf meine Mutter, sie wollte doch zur Geburt hier sein.« Beatrice verdrehte die Augen, und ihr Kopf sank zur Seite.
Inzwischen hatte auch Ansari das Lager der Kranken erreicht, warf seine Tasche aufs Bett und legte mit Inesâ Hilfe die blutende Wunde frei.
»Alba, steh nicht rum. Wisch den Boden auf!«, wies Ines das Mädchen mit einem Seitenblick an.
»Sie wird doch nicht sterben?« Ãngstlich sah Alba zu, wie Ansari den Verband abnahm und eine Flüssigkeit auf die aufgeplatzte Naht goss.
»Nein.«
»Das Kind ist schuld, dass es der
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