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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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noch immer schweigsam und starrte abwesend in die Flammen.
    Die Einsiedelei bestand aus einem Gebetsraum mit einem schlichten Altar und einem großen Holzkreuz, das ein wohlhabender Landadliger vor dem Krieg gestiftet hatte, und dem Wohnraum des Mönchs, in dem sie jetzt saßen. Alles wirkte sauber, und es roch nach Kräutern.
    Â»Wohin reitet Ihr?« Der Mönch goss Tomeos Becher zum zweiten Mal voll.
    Â»Nach Novara.«
    Â»Ich will gar nicht wissen, in welcher Mission Ihr unterwegs seid. Ihr scheint beide viel erlebt zu haben, aber wer hat das nicht, in diesen Zeiten …« Er hatte ein kantiges Gesicht, und eine lange Narbe zog sich unterhalb seines rechten Ohres bis in den Halsausschnitt seiner Kutte.
    Tomeo erkannte die Spur eines Säbels, eines Krummsäbels, wenn er richtiglag. »Wann hast du gegen die Türken gekämpft, Bruder?«
    Langsam rieb sich der Mönch den rasierten Schädel. »Vor fünfzehn Jahren. Scheint eine Ewigkeit her, aber ich weiß noch genau, wie Blut schmeckt und wie es sich anfühlt, wenn man jemandem den Kopf abtrennt. Das kann Christus nicht gewollt haben. Dafür ist er nicht ans Kreuz genagelt worden.« Er schüttelte den Kopf. »Warum seid Ihr Soldat?«
    Gian Marco stand auf und rollte sich in einer Ecke auf einem Strohsack zusammen.
    Â»Ich bin der jüngste Sohn einer Tuchhändlerfamilie. Was blieb mir übrig?«
    Der Mönch zwinkerte. »Ihr seid kein Mann, der die Gelübde ablegen würde.«
    Â»Nein, das ist nicht mein Weg, obwohl ich manchmal denke, dass es nicht das Schlechteste wäre.«
    Â»Wenn es Euch nur als Lösung Eurer Probleme erscheint, als Flucht vor der Welt, dann dürft Ihr es nicht tun. Es muss von hier kommen.« Er legte seine Hand auf sein Herz. »Mich hat er gerufen, nachdem ich vor Konstantinopel mit meinem Schwert ein Dutzend Muselmanen abgeschlachtet hatte und mich selbst dafür in die Hölle wünschte. Dann hat mich einer mit dem Säbel erwischt. Es ist ein Wunder, dass ich überlebt habe. Ich lag zwei Tage unter einem Haufen verwesender Leichen, bevor meine Kameraden mich gefunden haben. Damals habe ich mir geschworen, nie wieder eine Waffe in die Hand zu nehmen.«
    Nachdenklich strich sich Tomeo über sein Kinn. »Ich hätte auch einen Grund, mit dem Kämpfen aufzuhören, aber dafür müsste ich jemanden töten, und das kann ich nicht.«
    Â»Eine Frau?«
    Â»Hmm.«
    Â»Die Frau eines Freundes?« Aufmerksam beobachtete der Mönch seinen Gast, und als dieser die Augenbrauen zusammenzog und schwieg, sagte der Mönch: »Sich gegen sein eigenes Blut zu vergehen kann nur Unglück bringen, Eure Liebe wäre vergiftet. Aber das würdet Ihr nicht wollen.«
    Â»Nein, aber es gibt Situationen, in denen man sich selbst untreu werden kann …«, murmelte Tomeo düster.
    Â»Könntet Ihr mit den Konsequenzen Eures falschen Tuns glücklich werden? Denkt immer nur an das Danach, es kann lang und bitter sein …«
    Tomeo stellte seinen Becher ab und erhob sich. »Morgen liegt noch ein langer Ritt vor uns.« Tomeo hasste sich für jeden bösen Gedanken und verfluchte das Warten auf den nächsten Angriff. Nur diese zwangsweise Ruhe, die keine war, brachte ihn auf so absurde Vorstellungen.
    Am nächsten Morgen brachen sie kurz nach Sonnenaufgang auf. Der Mönch gab ihnen etwas Brot und Dörrfleisch mit, und Tomeo belohnte ihn mit einem Scudo für seine Gastfreundschaft.
    Â»Ihr solltet den Ticino gleich hinter dem Zusammenfinden seines verzweigten Flussbetts überqueren. Auf dieser Seite könntet Ihr weiter oben auf Franzosen treffen. Eigentlich sind die Truppen in Mailand, aber da haben sie nichts zu beißen und nehmen sich überall im Umkreis, was sie finden.«
    Â»Danke, Bruder.«
    Sie gaben ihren Pferden die Sporen und erreichten kurz darauf die Stelle am Fluss, von der der Mönch gesprochen hatte. Tatsächlich gab es eine Furt, an der das Flussbett flacher und die Strömung nicht reißend war. Durchnässt gelangten sie ans andere Ufer.
    Gian Marco hing müde auf seinem Pferd, die Haare fielen ihm ins Gesicht.
    Â»Was ist los mit dir? Wir hatten ein gutes Mahl und einen trockenen Platz zum Schlafen!«
    Â»Ja, das ist schon richtig, aber ich komme einfach nicht darüber hinweg, dass niemand, aber auch wirklich keine einzige Seele aus meiner Familie am Leben geblieben

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