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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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müssen weiter. Für heute Nacht fehlt uns noch ein Quartier.«
    Â»Ja , capitano . Nur noch einen Moment.« Er kramte eine Silbermünze hervor und gab sie dem Wachskerzler, in dessen Werkstatt er als Junge oft gestanden und dem er beim Gießen oder Ausrichten der Dochte geholfen hatte.
    Die Augen des Alten leuchteten, als er das wertvolle Geldstück sah. Er drückte es ans Herz. »Guter Junge, das warst du immer. Jetzt geh, dein capitano wartet. Hier ist nichts mehr. Alle tot, alle tot …« Während er die letzten Worte wie eine Litanei vor sich hin murmelte, verzog er sich wieder in seinen Verschlag, das Brett fiel vor die Öffnung.
    Schweigend ritten sie durch das öde Dorf hinaus in die einst blühenden Ebenen des Ticino. Der Fluss verbreiterte sich einige Kilometer östlich des Dorfes und bildete ein verzweigtes Netz von Adern, die zwei Inseln umschlossen und dann wieder zum Ticino zusammenfanden. Hier und in der dahinter beginnenden Provinz Novara gab es Weinberge und Plantagen mit Maulbeerbäumen. Eine reiche Gegend, die durch den Krieg schwer gebeutelt worden war. Seidenweber, -spinner, Tuchmacher und durch die nahen Erz- und Silberminen auch zahlreiche Kunsthandwerker waren hier ansässig gewesen. Doch wie in Morimondo sah es mit Sicherheit in den meisten Dörfern aus, die den Franzosen auf ihrem Marsch nach Mailand in die Hände gefallen waren. Auf den Feldern waren nur wenige Bauern zu sehen. Wenn sich nicht genügend Erntehelfer fanden, reichte der Kornvorrat nicht über den Winter, und eine Hungersnot war unvermeidlich.
    Ein Gebäude aus Feldsteinen erschien in Tomeos Blickfeld. An der hoch aufragenden Stirnwand prangte ein Kreuz.
    Â»Eine Einsiedelei.«
    Die Sonne tauchte die Hügel bereits in sattes Orangerot, und für eine Flussüberquerung war es zu spät, denn eine Brücke gab es erst weiter oberhalb, und Flößer waren nicht zu sehen. Den ganzen Ritt über hatten die Männer ihren Gedanken nachgehangen. Die Tomeos waren die meiste Zeit in Lucca und Matraia gewesen. Ein Bote der scarsella lucchese hatte ihn dort vor zwei Wochen mit der Schreckensnachricht vom Tod der Rimortellis erreicht. Noch hatte sich keine Gelegenheit gefunden, mit Hartmann von Altkirch darüber zu sprechen. Sein Bruder hatte außerdem von einer komplizierten Geburt geschrieben, und dass der Schock, ausgelöst durch den Tod ihrer Eltern, Beatrices Gesundheit schwer angeschlagen hatte. Federico hatte jedoch nicht mehr Worte als notwendig über Beatrice verloren, die Enttäuschung über die Geburt einer Tochter sprach aus jeder Zeile. Außerdem war Andrea festgenommen worden. Und Federico machte aus der Wut auf Mari keinen Hehl, dessen Anschuldigung allem Anschein nach zur Festnahme geführt hatte. Jemand schien die Dinge in Lucca vorantreiben zu wollen. Und das beunruhigte Tomeo am meisten, vor allem, wenn er an Beatrice dachte...
    Â»Sollen wir den Mönch dort fragen, ob er Heu für die Pferde hat?« Gian Marco hatte zu ihm aufgeschlossen und schien sich von den deprimierenden Bildern in Morimondo erholt zu haben.
    Â»Ja. Scheint mir das Klügste zu sein.«
    Â»Guten Abend, Bruder!«
    Mit einem Ledereimer in der einen und einem Korb voller kleiner Kürbisse in der anderen Hand kam ein mittelgroßer Mann in brauner Kutte auf sie zu. Er sah gut genährt aus und hatte eine gesunde Gesichtsfarbe. Das ließ auf eine reichhaltige Abendmahlzeit hoffen.
    Â»Gott zum Gruße, meine Herren. Seid Ihr auf der Suche nach einem Nachtlager? Ich habe nicht viel, aber Hafer für Eure Tiere und ein einfaches Mahl kann ich Euch anbieten. Und zwei Strohsäcke zum Schlafen werden sich auch finden.« Der Mönch hatte ein ehrliches Gesicht.
    Â»Das ist mehr, als wir erwarten können, Bruder.« Dankbar nahm Tomeo die Einladung an.
    Der Mönch erwies sich als ehemaliger Dominikaner, der sein Ordenshaus im Umbrischen verlassen hatte, um sich auf dem Lande um verlorene Seelen kümmern zu können. Zwar hatte Tomeo eher den Verdacht, dass der Mönch dem Rebensaft sehr zugetan war und das unabhängige Leben den strengen Ordensregeln vorzog, doch letztlich war das seine Entscheidung, und der Mönch war gastfreundlich und ein ausgezeichneter Koch.
    Nachdem sie ein herzhaftes Gemüseomelett und Kürbiskuchen vom Vortag verspeist hatten, saßen sie mit einem Becher Wein auf Strohballen vor der Feuerstelle. Gian Marco war

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