Die Tochter des Tuchhandlers
finden. Aber Flamini vertraute dem Mann, wahrscheinlich hatte er ihn schon früher eingesetzt. Und sein Vertrauen schien berechtigt, denn wem sie auch begegneten, der sicario flöÃte allen Respekt ein.
Heute war Sonntag, der zweite Sonntag vor dem Fest von Christi Geburt, und sie waren auf dem Weg zum Dom von San Martino. Es war vor Mitternacht, die StraÃen waren wie leergefegt, und sie mussten sich nur vor den Stadtknechten und Betrunkenen vorsehen, damit sie ungesehen in den Dom gelangen konnten. Kurz bevor sie auf die Piazza San Martino einbogen, hielt Alberto Mari an und zog seinen Begleiter mit sich in einen Hauseingang. »Ich muss allein hineingehen. Ihr könnt nicht mit, sonst wird der, den ich treffen soll, misstrauisch und geht wieder.«
»Ich bin nur Euer Schatten, macht Euch keine Gedanken. Los jetzt, weiter.«
Sie traten aus dem Dunkel auf die StraÃe, und als Alberto sich vorsichtig umdrehte, bevor er über die Piazza ging, war niemand hinter ihm. »Mein teuflischer Schatten«, murmelte Mari und eilte mit der Kassette unter dem Arm an den weiÃen Marmorwänden entlang zum Seiteneingang des Doms. Er war noch zu früh und hielt an, als er Schritte vernahm. Atemlos presste er sich in die Nische zwischen zwei Pilastern und wünschte sich, er hätte auf Flamini gehört und weniger gegessen. Kaum fünf Meter von ihm entfernt standen zwei Männer.
»Wartet hier auf mich, Filippo, ich muss allein gehen. Diesmal wird alles glattgehen, davon bin ich überzeugt. Mari ist ein Trottel, und denen ist das Glück hold.«
Alberto Mari verzog beleidigt den Mund. Einen Trottel nannte ihn dieser Mann! Die Stimme, wessen Stimme war das? O ja, natürlich, der junge da Sesto! Dann war der andere wohl Filippo Menobbi, der Bruder Marcina Porrettas. Das passte zu Menobbi, der ein Spieler und Taugenichts war. Für genügend Geld hätte der wahrscheinlich seine Mutter verkauft, wenn die nicht schon tot wäre. Seine verwitwete Schwester war genauso verkommen. Wo hatte Alberto sie noch gesehen? Im Park der Villa Connucci! Eine delikate Position hatte die attraktive Witwe innegehabt, als er sie mit Federico Buornardi ertappt hatte. Arme Beatrice! Ihr Mann hätte kaum in schlechtere Gesellschaft geraten können.
Plötzlich stieà ihn jemand an. Der sicario hatte sich unbemerkt neben ihn geschlichen. »Worauf wartet Ihr? Geht schon rein. Ich kümmere mich um den anderen.«
Vorsichtig trat Alberto Mari aus seiner Nische, konnte Filippo nirgends entdecken und ging jetzt schnurstracks durch den Seiteneingang in den Dom. In der Kapelle der Heiligen Jungfrau sah er ein Licht brennen und ging darauf zu. Er fand Rodolfo da Sesto kniend vor dem Altar. »Waren wir verabredet, da Sesto?«
»Wenn Ihr eine Botschaft vom Sohn unseres Heiligen Vaters und eine bestimmte Summe für mich habt?«
Mari schüttelte die schwere Kassette und klopfte sich auf die Brust, wo sich in seinem Wams Alessandros Brief befand.
»Ihr seid nicht überrascht, dass ich es bin?« Rodolfo da Sesto bekreuzigte sich, während er aufstand, und musterte Mari eingehend.
Mari zuckte nur mit den Schultern und stellte die Geldkassette auf den Altar. »Irgendjemand musste es sein, warum nicht Ihr?«
Rodolfo wollte nach der Kassette greifen, doch Alberto legte seine Hand darauf. »Nur eine Sache bereitet mir Kopfzerbrechen. Ohne Euch zu nahe treten zu wollen, da Sesto, aber ich halte Euch nicht für klug genug, einen solchen Plan zu erdenken. Ich meine, wie habt Ihr mit Flamini Kontakt aufgenommen?«
Verärgert griff Rodolfo nach seinem Degen. Er trug Lederhandschuhe, ein Wams aus edlem Brokat, und sein kostbarer Pelzumhang lag auf den Stufen. Seine Familie gehörte zur reichen Mittelschicht, spielte aber nicht in derselben Klasse wie der Marchese Connucci und die Mansis. »Ihr seid ein unverschämter kleiner Bastard!« Da Sesto zog seinen Degen und hielt ihn Alberto an die Kehle.
Doch plötzlich schien er sich anders zu besinnen, lieà die Waffe sinken und machte eine entschuldigende Bewegung. »Ich wusste ja nicht, dass Ihr nicht allein seid, Alberto.«
Der Sekretär drehte sich um und entdeckte den sicario in seinem dunklen Umhang, der fast vollständig von der Finsternis des Kircheninnern absorbiert wurde. Zum ersten Mal fühlte Alberto Mari sich wohl in der Gegenwart des Mörders und lächelte. »Doch nicht der Trottel, den Ihr
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