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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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ausgestattet. In einer Vitrine waren einige Schmuckstücke ausgestellt, doch alles war zurückhaltend und bescheiden präsentiert. Ein junger Mann saß hinter einem langen Tisch mit unzähligen Schubfächern und ging Kontobücher durch.
    Â»Simon, bring uns Tee und Gebäck, und dann nimm die Bücher mit nach hinten«, ordnete Tuveh ben Schemuel an und forderte seinen Gast auf, sich mit ihm an einen Tisch in einer Ecke des Ladens zu setzen. Ein Ofen verströmte Wärme, und Tomeo fand seinen neuen Bekannten immer interessanter.
    Â»Nun, was kann ich für Euch tun?« Der Goldhändler setzte ein gewinnendes Lächeln auf.
    Tomeo überlegte kurz, entschied dann aber, dass er nichts zu verlieren hatte, wenn er dem Mann von seinem Problem erzählte. Als er geendet hatte, nickte ben Schemuel bedächtig.
    Â»Mancher hat schon seinen Kopf lassen müssen im Geldgeschäft. Vor kurzem erst ist eines der größten deutschen Bankhäuser mit achthunderttausend Goldgulden Schulden bankrottgegangen und der Bankier selbst im Gefängnis gestorben. Meine jüdischen Freunde und Kollegen und ich haben ein Botensystem, das uns schnellstmögliche Nachrichten-übermittlung erlaubt. Wenn Ihr möchtet, hole ich Informationen aus Antwerpen über den Verbleib Eures Bruders ein und lasse ihn aus dem Gefängnis auslösen, falls er dort festsitzt.«
    Simon brachte Tee und süßes Mandelgebäck. Nachdem Tomeo gekostet hatte, fragte er: »Warum solltet Ihr das für mich tun? Ich weiß nicht, was es kosten könnte, Alessandro auszulösen, und vielleicht ist es mehr, als ich aufbringen kann.«
    Â»Ah, mein Freund, ich mag Euch.« Ben Schemuel lächelte verschmitzt und strich sich über den Bart. »Ein Geschäft für ein Geschäft. Es kommen Zeiten, da könnt Ihr etwas für mich tun. Euer ältester Bruder ist in Lucca, sagtet Ihr?« Er runzelte die Stirn und wiegte den Kopf hin und her. »Mein Neffe ist vorgestern aus Siena gekommen. Er ist durch Lucca gereist, wo sich etwas zusammenbraut. Schon der zweite päpstliche Sekretär ist dort tot aufgefunden worden. Ein bisschen viel in einem Jahr, meint Ihr nicht?«
    Â»Was?« Nervös umklammerte Tomeo die Stuhllehne. »Wie hieß der Mann? Was wisst Ihr noch? Was braut sich dort zusammen?«
    Der Händler machte eine vage Handbewegung. »Den Namen weiß ich nicht. Ein Sekretär aus dem Vatikan, so viel ist sicher. Richterliche Untersuchungen sind im Gange. Darüber hinaus gab es Unruhen durch unzufriedene Seidenweber, und, oh, das sind keine guten Nachrichten, man hat einen Ausbruch der Schwarzen Blattern gemeldet.« Ehrliches Mitgefühl lag in Tuvehs Augen, als er von der Seuche berichtete. »Tut mir leid, mein Freund, aber Eure Familie wird sich zu retten wissen, nicht wahr?«
    Â»Die Schwarzen Blattern …«, wiederholte Tomeo erschrocken. Die Krankheit war fast ebenso verheerend wie die Pest. Meist gelang es schneller, die Ausbreitung einzudämmen, aber wer sich ansteckte, hatte kaum Hoffnung, die Blattern zu überleben. Erschüttert sank Tomeo in seinem Stuhl zusammen. Was konnte er tun? Er saß hier in Mailand fest, obwohl er am liebsten sofort nach Lucca aufgebrochen wäre, um seiner Familie zu helfen.
    Â»Trinkt noch einen Tee, capitano , und dann überlegen wir, was wir für Euch tun können.«
    Ungläubig hob Tomeo den Blick und fragte sich, wie er hier, im Laden eines Fremden, Hoffnung finden sollte.

XXVII
    Der Golddukaten
    Wer die Schwarzen Blattern nach Lucca gebracht hatte, wusste niemand zu sagen. Der erste Kranke war ein Pfeifer, der zu einer Gruppe fahrender Spielleute aus Pisa gehörte. In dem Wirtshaus, in welchem die Spielleute gastierten, brach Panik aus, als eine Magd den mit Pocken übersäten Pfeifer in seinem Bett fand. Der bereits im Sterben liegende Mann wurde auf einer Trage von Stadtknechten in das Hospiz Santa Caterina gebracht, wo die Nonnen am nächsten Tag seinen Tod feststellten und die Stadt vor einem epidemischen Ausbruch der Blattern warnten. Da die Spielleute schon länger in Lucca gewesen waren und niemand genau wusste, mit wem der Pfeifer Kontakt gehabt hatte, konnten sich zahlreiche Menschen angesteckt haben. Der Große Rat verhängte den Ausnahmezustand und verbot große Menschenansammlungen und das Verlassen der Häuser nach Sonnenuntergang. Die Tore wurden für Fremde

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