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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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erfüllen. Unsere ist das Schlachtfeld.« Leyva bekräftigte seine Worte mit dem dritten Becher Wein.
    Tomeo ging auf den Flur, wo ein Wachsoldat respektvoll grüßte. Vielleicht war die Bestimmung einiger Männer das Schlachtfeld, aber er dachte an einen Mönch in einer Klause an den Ufern des Ticino. Jeder konnte seine Bestimmung ändern, wenn er nur die Kraft dazu fand.
    Der Palazzo Reale lag im Herzen Mailands, nur wenige Straßenzüge vom Castello Sforzesco entfernt. Dummer kleiner Herzog, dachte Tomeo. Warum übergibst du deine Festung nicht? Müssen noch mehr Menschen sterben, um deinen Stolz zu befriedigen? Der Palazzo war auf einem trapezförmigen Grundriss erbaut und öffnete sich zum Domplatz sowie zur Straße der Kaufleute, der Via Mercanti.
    Drei Stunden später, Tomeo hatte den Söldnern eine Moralpredigt gehalten und ihnen mehr Sold versprochen, was sie mit höhnischem Gelächter beantwortet hatten, gingen er und Gian Marco durch die Via Mercanti. Der Bursche pfiff eine fröhliche Melodie, während sie zwischen den Ständen der Händler entlangspazierten.
    Â»Dir geht’s ja heute besonders gut«, meinte Tomeo, der noch das Gebrüll und den Gestank der Söldner in Ohr und Nase hatte.
    Â»Oh, da ist so ein hübsches Ding …«
    Â»Ich will es gar nicht wissen. Sieh dich bloß vor, dass sie dir nicht die Franzosenkrankheit anhängt.«
    Sofort hörte das Pfeifen auf, und Gian Marco sah plötzlich sehr besorgt aus. »Eh, capitano , wie meint Ihr das?«
    Â»Wirst du schon selbst merken. Also, jetzt denk mal wieder mit dem Kopf. Ich brauche einen zuverlässigen Boten oder einen Kaufmann, der nach Antwerpen reist. Hör dich um. Wir treffen uns hier. Du gehst da hinunter. Ich nehme diese Seite.« Eine Schneeflocke setzte sich auf Tomeos Umhang. Er hob den Kopf und starrte in einen grauen Winterhimmel. Es war kalt, aber noch waren die Flüsse und Seen nicht gefroren, sondern der Boden aufgeweicht von zu vielen Niederschlägen. In dieser Jahreszeit ein Heer zu bewegen war nahezu unmöglich und kostete nicht nur Unmengen von Geld, sondern auch riesige Lebensmittel- und Brennholzvorräte, und Tomeo war dankbar, dass sie zumindest vorerst in Mailand blieben. Mit der Dankbarkeit der Mailänder verhielt sich das anders, aber die Bevölkerung war seit Jahrzehnten an Fremdherrschaft gewöhnt.
    Schräg vor ihm erhob sich der Palazzo della Ragione, das langgestreckte Rathaus, in dessen Erdgeschoss sich zwischen Pfeilerarkaden die Markthalle befand. Im Gegensatz zu den anliegenden Häusern, die fast alle niedergebrannt oder zerstört waren, war das Rathaus unbeschädigt geblieben. Zwischen den Pfeilern trieben sich Händler unterschiedlicher Herkunft herum. Krüppel und Bettler lagerten an den Durchgängen und streckten die Hände nach einem Almosen aus. An einem Pfeiler war oben das Relief eines Reiters zu sehen.
    Â»Oldrado da Tresseno.«
    Tomeo drehte sich um und stand vor einem Mann mit glockenförmigem Lederhut und einem weiten schwarzen Mantel. Lange seitliche Locken und ein dichter schwarzer Bart wiesen ihn als Juden aus. »Habt Ihr mit mir gesprochen?«
    Der Mann war mittleren Alters, hatte eine spitze Nase und intelligente Gesichtszüge. Seine Kleidung war edel, aber nicht auffällig. »Ja. Der Reiter auf dem Bild dort oben war ein podestà namens Tresseno. Er hat das Rathaus 1233 erbauen lassen. Aber das interessiert Euch nicht, capitano oder generale ?«
    Â»Nein, nicht wirklich. Ich bin capitano Tomeo Buornardi. Wir …«
    Doch er brauchte keine Erklärungen abzugeben, denn der Jude lachte. »Ihr gehört zu den kaiserlichen Truppen, die unsere Stadt von den Franzosen befreit haben und so fort und so fort. Mein Name ist Tuveh ben Schemuel, Goldhändler und Geldverleiher.«
    Tomeo erwiderte die höfliche Verneigung. »Tuveh ben Schemuel, vielleicht könnt Ihr mir helfen, denn ich bin auf der Suche nach einem Mann, der viel herumkommt.«
    Â»Oh, da seid Ihr bei mir ganz sicher an der richtigen Adresse. Mein bescheidener Laden ist gleich dort drüben. Warum kommt Ihr nicht mit hinüber? Hier ist es kalt und zugig.« Zielstrebig marschierte der Goldhändler durch den von Karren und Pferdehufen aufgeweichten Straßenbelag und winkte Tomeo, ihm zu folgen.
    Tuvehs kleiner Laden war mit orientalischen Teppichen, exquisiten Möbeln und Kunsthandwerk

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