Die Tochter des Tuchhandlers
»Bitte, nehmt sie mir nicht weg, bitte nicht! Ich flehe Euch an!«
»Das Winseln steht Euch nicht zu Gesicht, und es ist sinnlos.« Er schüttelte sie ab und ging hinaus.
Türen schlugen, und dann erklang Kinderweinen. Beatrice raffte sich auf und lief auf den Flur hinaus, wo sie Federico mit ihrer Tochter auf dem Arm die Treppe hinuntergehen sah. »Nein! Das dürft Ihr nicht! Meine Tochter! Giulia, Liebling!« Schluchzend lief sie neben ihrem Mann her und fasste nach dem Ãrmchen ihres Kindes, das jetzt herzzerreiÃend schrie.
Doch Federico ging einfach weiter.
»Wo bringt Ihr sie hin?«
Er hörte gar nicht hin, sondern winkte dem maestro di casa . »Bring die Madonna nach oben. Es geht ihr nicht gut.«
Inzwischen hatte das Geschrei die Diener und Mägde aus Hof und Küche aufgeschreckt, Plantilla kam mit einem Huhn heraus, dem sie gerade die Federn ausrupfte. Alba rannte zu Beatrice und umklammerte ihre Hand. Als Beatrice den maestro di casa kommen sah, machte sie automatisch einen Schritt nach hinten. »Rühr mich nicht an, du Wurm!«, fauchte sie.
Alba zog an ihrer Hand. »Kommt, Madonna, wir gehen nach oben. Wir gehen jetzt nach oben.« Etwas Furchtbares war geschehen. Man hatte ihrer Herrin die kleine Giulia genommen. Aber Farini durfte der Madonna nicht wehtun. Es gelang ihr, Beatrice die Treppe hochzuziehen. Immer wieder drehte sich Beatrice nach ihrer Tochter um, doch der maestro und zwei Knechte standen am Treppenaufgang und versperrten ihr die Sicht und den Weg zu ihrem Kind.
Im Schlafzimmer warf sie sich aufs Bett und schluchzte, bis sie kaum noch Luft bekam, ihre Augen brannten und ihr Magen sich verkrampfte. »Die Marchesa wird uns nicht helfen, Alba«, brachte sie nach einiger Zeit heraus. »Ich war so dumm, oh!« Sie schlug mit den Händen aufs Bett. »Sie gehört zu da Sesto und den anderen! Die Marchesa ist eine Verräterin!«
»Der Marchese auch?«, fragte Alba plötzlich.
»Wieso? Nein. Die Marchesa hat aus Rache an diesem Komplott teilgenommen. Sie hasst ihren Mann.«
Alba senkte den Blick. »Ich, also â¦Â«
»Was denn, Alba?«
Zögernd gestand Alba: »Als ich im Palazzo war, bin ich nicht sofort zur Marchesa gekommen. Ich habe zuerst mit ihm gesprochen.«
Ãberrascht hörte Beatrice zu, zog Alba schlieÃlich in ihre Arme und flüsterte: »Mein armes Mädchen, mein armes Mädchen. Es tut mir so leid! Was er dir angetan hat, ist unverzeihlich, aber nun gibt es doch noch Hoffnung für uns.« Sie schloss die Augen und weinte hemmungslos, während sie ihr Gesicht in Albas Haaren verbarg.
Alba hielt still und war froh, dass sie ihrer Herrin alles gesagt hatte und dass es doch nicht so falsch gewesen war, dem Marchese das Geheimnis zu erzählen. Kein Mensch hatte sich je so für sie eingesetzt wie die Madonna. Nur von dem Golddukaten hatte Alba ihr nichts gesagt, aber das war ja auch keine Lüge, schlieÃlich war der Dukaten nur für sie gewesen und hatte mit allem anderen nichts zu tun.
XXVIII
Luccas Heimsuchung
In den frühen Morgenstunden des zweiten Januars 1526 machten sich gleichzeitig mehrere Gruppen bewaffneter Männer in dunkle Umhänge gehüllt auf den Weg zu drei Stadttoren. Weil seit zwei Tagen die Blattern offiziell ausgebrochen waren, wunderten sich die Männer nicht über die leeren StraÃen an diesem kalten Januarmorgen. Der Frost biss in ihre Gesichter, doch keiner der Männer, die aus einem Palazzo in der Via Santa Giustina zur Porta San Donato unterwegs waren, sagte ein Wort. Grimmige, konzentrierte Gesichter zeichneten sich schemenhaft unter den Kapuzen ab.
»Seid Ihr sicher, dass Valori und Quilici jetzt auch unterwegs sind?« Filippo Menobbi konnte seine Zweifel nicht für sich behalten.
Zusammen mit da Sesto, Federico, Andrea und einem Dutzend Knechten marschierten sie durch die enge Via Pelleria. Die Fensterläden der anliegenden Gebäude waren alle noch geschlossen. Ein Karren stand halb auf der StraÃe, und ein Stück weiter versperrten Säcke einen Teil des Weges.
Federico unterdrückte einen Fluch, stieà mit dem Fuà gegen einen Sack und zischte: »Natürlich sind sie unterwegs, genau wie wir. Gottaneri hat seine Männer aufgeteilt. Sie sind ausreichend bewaffnet. Haltet jetzt den Mund, Filippo. Die Wachen sollen uns nicht vorher hören!«
»Man wird ja noch fragen dürfen! Wenn es
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