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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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hatte bemerkt, mit welch begehrlichen Blicken Tomeo Beatrice angesehen hatte. Aber Beatrice war nur noch ein jämmerlicher Schatten ihrer selbst, und er hatte sie zerstört, hatte ihren Stolz gebrochen, sie wertlos für jeden anderen Mann gemacht. Triumphierend schnalzte Federico Buornardi mit der Zunge, lenkte sein Pferd durch die Gassen, hielt an, sobald er verdächtige Geräusche vernahm, und war dem Schicksal dankbar, dass es Lucca gerade jetzt die furchtbare Seuche gesandt hatte. Ohne die Blattern wäre seine Flucht unmöglich gewesen.
    Die Armengräber quollen bereits über vor Leichen. Einziger Wermutstropfen war die Erkrankung seiner Mutter. Aber vielleicht überstand sie die Krankheit. Schließlich handelte es sich nicht um die Pest. Mit diesem Gedanken tröstete er sich und sah immer wieder angstvoll zum Himmel. Ein Gebet zu sprechen wagte er nicht, dafür hatte er zu viele Todsünden auf sich geladen. Das Röcheln des sterbenden Mönchs im Spital klang ihm noch in den Ohren.

XXIX
    Beatrices Flucht
    Heute Nacht war Neumond. Beatrice hatte den ganzen Tag über gewartet. Abwechselnd hatte sie an Tür und Fenster gehorcht und gehofft, dass plötzlich der giudice mit seinen Bütteln oder eine bewaffnete Abordnung des Großen Rates erscheinen würde. Doch es war alles ruhig geblieben. Wie viele Tage seit Giulias Verschwinden vergangen waren, hätte Beatrice nicht sagen können. Vielleicht war es eine Woche, vielleicht waren es nur vier Tage. Da jeder Tag ohne ihre Tochter ihr wie eine Ewigkeit vorkam, machte es keinen Unterschied. Der Verlust schmerzte körperlich. Sie konnte kaum etwas essen und weinte ständig. Federico hatte sich nicht wieder sehen lassen, und niemand konnte ihr sagen, wohin er Giulia gebracht hatte. Auf Federicos Anordnung hin hatte sie nach seiner Mutter zu sehen, aber es gab nicht viel, was sie für Lorenza tun konnte. Da sie Ansari nicht holen lassen durfte, gab es kaum Hoffnung für Lorenza, bei der nach zwölf Tagen verschiedenster Symptome drei Tage lang hohes Fieber und dann der Ausschlag ausgebrochen war.
    Lorenza hatte sich erbrochen, war von Schüttelfrost geplagt worden und wälzte sich schweißnass und phantasierend in den Laken. Am dritten Tag hatte das Fieber nachgelassen, und der Medicus, ein unfähiger Scharlatan, hatte triumphierend verkündet, dass das Ärgste überwunden sei. Die Pusteln waren am Kopf ausgebrochen und hatten sich über den gesamten Körper ausgebreitet. Das Fieber war wieder angestiegen, und Beatrice betrat Lorenzas Zimmer nicht mehr. Sie vermied den Kontakt mit Lorenzas Zofe und Dingen, die aus dem Zimmer der Kranken kamen.
    Heute Abend hatte sie einen Aufschrei gehört. »Was ist geschehen?«, fragte sie Alba, die der Küchenmagd ein Tablett abgenommen hatte.
    Alba stellte das Tablett mit Suppe und Brot ab. Ihr schmales Gesicht war blasser als sonst. »Es sind die Schwarzen Blattern!«
    Â»O nein!« Beatrice schlug die Hände vors Gesicht. Und dennoch, in der Furcht vor der tödlichen Seuche kam ihr ein tröstlicher Gedanke – egal, was ihn dazu bewogen hatte, Federico hatte ihre Tochter aus diesem Haus fortbringen lassen.
    Â»Der dumme Quacksalber ist mit schlotternden Knien aus dem Zimmer der Signora gekommen und hat gesagt, dass sich der Eiter schwarz gefärbt hat. Dann ist er die Treppe hinuntergerannt und verschwunden. Madonna, Ihr müsst essen. Plantilla hat das gekocht, und sie hat auch die Kuhpocken gehabt und sagt, wenn Ihr achtgebt und nicht mit der Kranken oder dem Saft der Pusteln in Berührung kommt, dann werdet Ihr verschont bleiben.«
    Abwesend hatte Beatrice gegessen und sich später zur Ruhe begeben. Ihr Schlaf war leicht, was auch an der Kälte in ihrem spärlich geheizten Zimmer lag. Als in den frühen Morgenstunden jemand die Treppe heraufgepoltert kam, war sie sofort hellwach. Sie öffnete vorsichtig ihre Tür und spähte in den dunklen Flur. Aus Federicos Zimmer kam Licht, und dann sah sie ihn auch schon panisch mit einem Beutel in der Hand die Treppe hinunterlaufen. Das Unternehmen musste gescheitert sein! Sonst wäre er triumphierend mit seinen Männern zurückgekehrt. Rasch zog sie sich an und trat mit einer Lampe hinaus auf den Treppenabsatz. Dort lauschte sie ins Haus und vernahm Pferdehufe im Hof. Gleichzeitig schien es an der vorderen Tür zu klopfen, nein, es wurde vehement an das Tor

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