Die Tochter des Tuchhandlers
ging es mir nur noch schlechter. Jetzt habe ich ihn losgeschickt, mir von dem Theriak zu holen. Das Zeug soll Wunder bewirken. Aber das wollte ich Euch nicht mitteilen. Meine liebe Nichte Ortensia ist ein gefallenes Mädchen!« Böse funkelte sie Beatrice an. »Das ist Eure Schuld! Weil Ihr mit der Marchesa befreundet seid, musste das unschuldige kleine Lämmchen unbedingt zu jedem Fest in die Villa Connucci, und dort â¦Â« Ihre runden Wangen röteten sich vor Wut und Scham.
»Ortensia wusste sehr gut, was sie tat. Ich selbst habe sie davor gewarnt, sich mit dem Marchese einzulassen.«
»Ach, habt Ihr das? Und was wisst Ihr vom Marchese?« Lorenza verzog schmerzhaft das Gesicht. »Mein Rücken zwickt mich seit Tagen, und manchmal schüttelt es die Arme und Beine, dass ich keine Kontrolle darüber habe. Fürchterlich ist das! Wo bleibt der Medicus?« Sie winkte ihre Zofe herbei. »Sieh nach, wo der Mann bleibt!«
Die Zofe verbeugte sich und eilte davon.
Was Lorenza an Krankheitssymptomen aufzählte, klang nicht nach einem leichten Schnupfen, und Beatrice trat an die Tür zurück.
»Habt Ihr Angst? Wo ist denn Euer groÃer Heiler aus Persien?« Spöttisch ahmte Lorenza Ansaris orientalische BegrüÃung nach.
»Das müsst Ihr Euren Sohn fragen, Signora. Den könnt Ihr sowieso einiges fragen, wie es um die Finanzen des Geschäfts steht, zum Beispiel. Oder noch interessanter dürfte es werden, wenn Ihr ihn nach seinen Unternehmungen mit da Sesto, Menobbi und Gottaneri fragt. Euer verstorbener Gatte war stolz darauf, dem Kaiser zu dienen, genau wie meine Eltern, aber Euer Sohn hat anscheinend seine Meinung geändert und heckt stattdessen eine Schurkerei gegen die eigene Republik aus!« Ãber sich selbst entsetzt hielt Beatrice inne. SchweiÃperlen bildeten sich auf Lorenzas Stirn. Sie stemmte sich mit den Armen auf und schrie aus Leibeskräften: »Farini! Federico!«
»Ach, ruft doch, wen Ihr wollt!« Beatrice drehte sich angewidert um und ging ins Ammenzimmer.
Giulia sah rosig aus und freute sich, als sie Beatrice erkannte. Die Amme sagte nicht viel, doch verstand sie es, mit dem Kind umzugehen, und das bedeutete mehr als alles andere für Beatrice. » Balia , in Matraia hast du einmal die Villa Connucci erwähnt. Was genau hat dir dort nicht gefallen?«
»O Madonna, ich weià nicht, was Ihr meint â¦Â« Die einfache Frau errötete und strich ihre Haube glatt.
»Ich frage, weil Alba heute im Palazzo Connucci hier in Lucca war und verändert scheint. Vielleicht hat sie Ãhnliches gesehen wie du?«
»Ihr habt das arme Ding allein dorthin geschickt? Kein Wunder, dass sie verstört ist. Wahrscheinlich hat der Marchese seine Freude an ihr gehabt â¦Â« Die Amme verzog angeekelt das Gesicht. »Er und seine Freunde haben sich in Matraia alles genommen, wonach ihnen der Sinn stand, und sogar der abscheuliche Zwerg hat mitgemacht. Gequält haben sie die kleinen Mädchen und Jungen, und ach ⦠Es war ganz furchtbar, was da vor sich ging.«
»Und die Marchesa?«
»Die Marchesa hat sich nicht drum geschert. Sie war froh, wenn er sie in Ruhe gelassen hat. Nach dem sechsten Kind hatte sie genug, wobei drei ihrer Kinder das erste Jahr nicht überlebt haben. Wie viele sie inzwischen zur Welt gebracht hat, weià ich nicht. Acht oder neun werden es wohl sein.«
In diesem Moment wurde mit Wucht die Tür aufgestoÃen, und Federico stürmte herein. »Raus!«, schrie er die entsetzte Amme an. »Nimm das Kind mit!«
Eingeschüchtert nahm die Amme Giulia aus Beatrices Armen. Beatrice verschränkte die Hände ineinander und versuchte, Federicos Blick standzuhalten.
»Was habt Ihr zu meiner Mutter gesagt? Ich plane etwas gegen die Republik? Wie kommt Ihr auf diese abstruse Idee?« Eine Ader an seiner Stirn trat deutlich hervor, und er schien bereits einigen Wein getrunken zu haben.
»Stimmt es denn nicht?«, sagte sie ruhig.
»Antwortet gefälligst auf meine Frage!«, brüllte er.
»Ich habe mir einen Reim auf das gemacht, was hier seit einiger Zeit vorgeht. Seid Ihr an Albertos Tod beteiligt?« Sie legte eine Hand auf den Beutel an ihrem Gürtel.
Der Schlag traf sie unerwartet und so heftig, dass sie nach hinten taumelte und zu Boden ging. Dabei löste sich der Beutel, den sie nur lose befestigt hatte, und fiel klirrend zu Boden. Bevor sie
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