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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Ende eine Tür auf und wäre fast vor dem bestialischen Gestank zurückgeprallt, der ihm aus dem Krankensaal entgegenschlug. Da er seinen Umhang unterwegs fortgeworfen hatte, hielt er sich einen Arm vor die Nase, während er sich durch die stöhnenden und schreienden Kranken zwängte, die sich auf Notlagern und dem Boden zu Hunderten drängten. Hände wurden nach ihm ausgestreckt, und einige riefen nach Wasser, doch Federico achtete nicht auf das Elend und erreichte den Ausgang auf der anderen Seite des Saales, ohne auf einen weiteren Mönch zu treffen.
    Mit Wucht stieß er die Tür nach draußen auf und atmete dort die frische Morgenluft ein. Für Überlegungen war keine Zeit, denn links von ihm befand sich der Palazzo des derzeitigen gonfaloniere , dahinter die Justizbehörde, und er hörte bereits Geschrei und Pferdehufe auf steinigem Pflaster. Er entschied sich für den Weg durch die Hinterhöfe, eilte über die Straße und verschwand im Dunkel der dicht stehenden Häuser. Hier war er im Gebiet der Burlamacchis, doch die hielten sich diplomatisch aus allem raus. Ein Blick zum lichter werdenden Himmel zeigte die einsetzende Dämmerung an. Federico riss sich im Laufen den Kragen auf, der Schweiß rann ihm über Kopf und Nacken. Ein Hund knurrte, ein weiterer bellte, und er schlug so lange mit dem Degen nach ihnen, bis einer aufjaulte und sie von ihm abließen. Wie oft er in den Dreck fiel und sich wieder aufrappelte, konnte er später nicht sagen. Er biss die Zähne zusammen, wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und versuchte, den Brechreiz zu unterdrücken, denn seine Hände stanken nach Kot. Durch enge Gassen, über Hausmauern und durch einen Stall bahnte er sich seinen Weg bis in die Via Santa Giustina, wo er endlich die bulligen Quader seines Palazzo sehen konnte.
    Noch hielt er sich zwischen dem Wohnhaus eines Webers und einer Schankwirtschaft versteckt und beobachtete die Straße vor seinem Haus. Als alles ruhig blieb, trat er hervor, lief humpelnd um die Ecke zum Seiteneingang des Palazzo Buornardi und klopfte in einem mit seinen Knechten verabredeten Rhythmus gegen die Tür. Sofort wurde ihm geöffnet. Federico hatte nur wenige vertrauenswürdige Knechte in sein Vorhaben eingeweiht. »Sattel mein Pferd!«, befahl er dem wartenden Burschen und sah sich aufgeregt um. »War jemand hier?«
    Â»Nein, Signore«, antwortete der junge Knecht überrascht.
    Noch im Gehen riss sich Federico das verschmutzte Wams vom Leib, ließ es zu Boden fallen und rannte die Treppe hinauf in seine Gemächer. In fieberhafter Eile suchte er nach seiner Geldkassette, kippte den Inhalt in einen Lederbeutel und wollte nach Wertpapieren greifen, als er Lärm von der Straße hörte. Sie kamen! Er riss den Geldbeutel an sich, rannte die Treppe hinunter und sprang unten auf das Pferd, das der Knecht gerade gesattelt und in den Hof geführt hatte. »Gib mir dein Wams! Los, Mann! Du kannst dir meins dafür nehmen. Und mach die Tür auf!«
    Der Knecht zog sein Lederwams aus, gab es Federico, der es überstreifte und dann mit gebeugtem Oberkörper durch das seitliche Tor auf die Straße ritt. Die Stadtknechte kamen bereits um die Ecke, ein Schuss fiel, verfehlte ihn jedoch. Federico gab seinem Tier die Sporen. Noch schliefen die meisten Luccheser und würden sich bei der herrschenden Seuche ohnehin nicht auf die Straße trauen. Mit etwas Glück konnte er es bis zum Kloster San Michelotto schaffen. Dort gab es einen seit Jahren nur von den Mönchen genutzten Durchgang. Marcina hatte ihm davon erzählt. Seine herrliche Marcina, die außerhalb von Lucca in einer Herberge an der Via Romana auf eine Nachricht von ihm wartete. Sie war klüger gewesen als er und die anderen und hatte eine Niederlage nicht ausgeschlossen. Sein Fehler war es gewesen, Beatrice am Leben zu lassen. Er hätte sie, wie Marcina es vorgeschlagen hatte, sofort nach der Überschreibung ihres Eigentums umbringen sollen.
    Aber Beatrice war seine Frau, und ihre Schönheit, ihr klarer Verstand und ihr Stolz hatten ihn beeindruckt, zumindest anfangs. Jetzt hatte er nur noch Hass und Verachtung für sie übrig. Ohne Geld und mit dieser grotesken Verstümmelung am Leib war sie nutzlos geworden. Nicht einmal Tomeo würde sie noch wollen. Sein stets aufrechter Bruder, der edel seine Haut für einen irrsinnigen Krieg zu Markte trug. Er

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