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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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dicken braunen Haarzopf nach hinten und zog ihre Schürze glatt. Wenn die Madonna fortging, würde Farini sie hier wie eine Sklavin behandeln, oder man warf sie einfach auf die Straße. Außerdem brauchte die Madonna sie. »Wo soll ich denn hin, Madonna? Und was wollt Ihr ohne mich anfangen?«
    Beatrice schöpfte Hoffnung. Das erste Mal seit vielen Tagen. »Pack das rote Kleid ein, das safrangelbe, zwei Wollschals und die Seidentücher. Etwas Wäsche, den Spiegel von der Marchesa und …« Sie warf einen Blick auf Pontormos Gemälde. »Das werden wir hierlassen müssen.« Sie seufzte. »Die Salbentiegel von Ansari und ein Stück Olivenseife. Es darf nur so viel sein, wie wir beide tragen können. Verteil es auf zwei Taschen und einen größeren Sack.«
    Alba nickte und machte sich eifrig ans Packen. »Habt Ihr eine Idee, wie wir hier herauskommen?«
    Â»Die Signora wird bald sterben, und dann gehen wir.«
    Â 
    Tatsächlich verstarb Lorenza Buornardi bereits am nächsten Tag. Ihre Zofe schrie und zeterte und machte alle Diener im Haus verrückt. Niemand wollte ihr helfen, die Leiche zu bewegen, die von dunklen Pusteln furchtbar entstellt war. Schließlich befahl Farini den Wachen, die der Richter am Palazzo postiert hatte, die Totengräber zu holen. Der Leichnam eines Seuchenopfers durfte nicht in der Familiengruft beigesetzt werden, sondern musste mit den anderen Toten in einer Grube vor der Stadt beerdigt werden. Es war gegen Abend, als Farini damit beschäftigt war, alles zum Abtransport seiner toten Herrin zu regeln, und Beatrice wollte den Schutz der Dunkelheit für ihre Flucht nutzen. Zuvor hatte Alba die Taschen und den Sack mit Plantillas Unterstützung in einem Kellerraum versteckt.
    Beatrice hatte einen ihrer goldenen Scudi aus dem Umhang herausgetrennt und ihn Plantilla gegeben, damit sie davon einen Knecht bestach, sie durch die Stallungen hinauszulassen. Mit einem weiteren Scudo würde sie den Wachposten vor dem Seiteneingang des Palazzo bestechen. Plantilla stand bereits unten und wartete auf sie. Ihre runden Wangen waren rot von der Hitze in der dampfenden Küche, und Tränen standen in ihren Augen, als sie Beatrice kurz entschlossen an ihren Busen drückte.
    Â»Passt auf Euch auf, Madonna!«
    Â»Danke, Plantilla, danke für alles.« Sie küsste die treue Köchin auf die Wange, raffte ihre Taschen und den Sack auf und gelangte schließlich mit Alba ans seitliche Tor, wo der Wachmann sich angesichts des Goldscudo schweigend umdrehte und sie ziehen ließ.
    Es fing an zu schneien, und die beiden Frauen zogen ihre Kapuzen tief ins Gesicht. Die ungewöhnliche Stille in der Stadt, die wie gelähmt war vom Schock der in letzter Minute abgewendeten Übernahme durch die Medici und von den noch immer wütenden Schwarzen Blattern, und die fallenden Schneeflocken in der Dunkelheit hatten etwas Unwirkliches. Zwei Totengräber schoben in einiger Entfernung einen Leichenkarren über die Straße. Das Rattern der Räder wurde durch den Schnee gedämpft, und die schwarz gewandeten Männer mit ihrer schaurigen Fracht erschienen Beatrice wie Todesengel, die gekommen waren, die Luccheser für ihre Überheblichkeit zu strafen.
    Â»Wohin gehen wir?«, fragte Alba leise.
    Â»Nach San Frediano. Dort hat Ines meinen Schmuck bei Pater Aniani deponiert.« Wie sie aus der Stadt kommen sollten, wusste Beatrice noch nicht, aber mit genügend Geld waren die Aussichten in jedem Fall rosiger. Hatte nicht der heilige Fredianus Lucca einst vor dem reißenden Serchio gerettet? Vielleicht hielt er seine schützende Hand auch über zwei einsame Frauen.
    Es dauerte eine Zeit, bis sich im Konvent jemand auf ihr Klopfen hin rührte. Verfroren und mit Schneeablagerungen auf Schultern und Kapuze betraten sie die kleine Empfangshalle des Konvents. Ein alter Mönch blinzelte sie kurzsichtig hinter einer hochgehaltenen Ölfunzel an. »Was wollt Ihr hier so spät? Wir haben keine Betten frei!«
    Â»Ich muss mit Pater Aniani sprechen, Bruder. Wäre es nicht lebenswichtig, wäre ich nicht hier.« Beatrice legte Eindringlichkeit und Flehen in ihre Stimme und betete, dass Aniani im Kloster war.
    Â»Wartet hier!« Der Mönch schlurfte davon und ließ sie in der Dunkelheit zurück.
    Alba stellte sich dicht neben Beatrice und ergriff ihre Hand. Die Berührung der warmen Mädchenhand hatte etwas

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