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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Erkenntnis ausgeliefert, dass der Kaiser vielleicht nur ein junger Träumer war, der sich von seinen Beratern beeinflussen ließ und keinen Scudo für seine Soldaten übrig haben würde, sobald der Italienfeldzug nicht mehr gewinnbringend für ihn schien. Nach dem Gespräch ging Tomeo direkt in sein Quartier im Erdgeschoss, wo er Gian Marco mit dem Putzen der Rüstung beschäftigt fand.
    Â»Pack unsere Sachen, wir reiten noch heute nach Lucca.«
    Â»Was?« Scheppernd fiel der Brustpanzer zu Boden.
    Â»Der bleibt hier. Wir reisen leicht und nehmen nur das Allernötigste mit. Wenn die Überquerung des Apennin durch den Schnee nicht zu schwierig wird, sind wir vielleicht in acht oder neun Tagen dort.«
    Â»Aber … Capitano , ich muss heute Abend ein Mädchen sehen!« Gian Marco machte ein flehentliches Gesicht. »Können wir die Abreise nicht auf morgen verschieben? Ich meine, es ist sowieso schon fast Abend.«
    Â»Nein!«, fuhr er seinen Burschen ungehalten an und holte sein gefüttertes Lederwams hervor.
    Danach sagte Gian Marco nichts mehr und bewegte sich wie ein Wiesel, um das Reisegepäck zu schnüren. Als sie auf den gesattelten Pferden saßen, hatten sie noch knapp zwei Stunden bis Sonnenuntergang. Vor dem Aufbruch war Tomeo noch einmal zu Leyva gegangen und hatte das Schreiben für Bourbon abgeholt. Sie ritten über den Corso di Porta Romana, als Tomeo das unangenehme Schweigen zwischen ihnen brach.
    Â»Wenn wir stramm reiten, erreichen wir die Provinz Lodi und finden einen Gasthof in Melegnano.«
    Â»Ja , capitano . Sagt Ihr mir jetzt, warum wir es so eilig haben?«
    Auf seinem Pferd fühlte Tomeo sich Lucca näher, und sein Zorn auf Federico gewann langsam die Oberhand über seine Verzweiflung. Er schilderte seinem Burschen in wenigen Sätzen, was geschehen war.
    Â»Das ist unglaublich! Ich meine, es tut mir furchtbar leid wegen Eurer Mutter. Aber Euer Bruder ein päpstlicher Verräter …« Ehrlich erschüttert schüttelte Gian Marco den Kopf. »Vielleicht stimmt das ja nicht. Wäre doch möglich, oder?«
    Aber Tomeo starrte nur finster geradeaus. Er wusste, dass sein Onkel Leopoldo die Wahrheit geschrieben hatte, weil in dem Brief auch gestanden hatte, dass Connucci die Verschwörung aufgedeckt und rechtzeitig dem gonfaloniere gemeldet hatte. Man konnte Connucci vieles nachsagen – er war vergnügungssüchtig, ein Frauenheld, selbstsüchtig und egozentrisch, aber er war ein loyaler Freund und der Republik treu ergeben. Abgesehen von den beiden letzten Punkten stand Federico dem Marchese in nichts nach, aber es hatte seinem Bruder immer an menschlicher Größe gemangelt. Connucci hatte das erkannt und mit Federico gespielt, ihm nie wirklich vertraut. Dieses Vertrauen hatte er nur ihm, Tomeo, geschenkt, obwohl er nie um die Gunst Connuccis gebuhlt hatte.
    Im Grunde war Connucci angewidert von den Schmeichlern, die sich um ihn scharten wie die Motten um das Licht. Aber der Marchese genoss es, Menschen gegeneinander auszuspielen, zu sehen, wie weit sie gehen, wie weit sie sich erniedrigen würden, um zu bekommen, wonach sie gierten. Tomeo kannte auch diese Seite des Marchese. Vor allem Connuccis Umgang mit Frauen war Tomeo immer aufgestoßen, die Respektlosigkeit des Marchese seiner eigenen Gattin gegenüber, die kleinen Grausamkeiten, die er mit Bernardina trieb, weil er es nicht ertragen konnte, dass sie klüger war, belesener und aus altem Adel stammte. »Es ist so, wie es ist, Gian Marco. Ich muss damit leben, aber wenn ich meinen Bruder zwischen die Finger bekomme, dann gnade ihm Gott …«
    Â»Dann hoffe ich, dass Ihr ihm nie wieder begegnet.« Das Mitgefühl in Gian Marcos Stimme überraschte Tomeo.
    Â»Du hast doch wohl kein Mitleid mit ihm?«
    Â»Nein, das nicht, aber ich habe meine Brüder durch die Pest verloren und kann mir nur vorstellen, wie furchtbar es sein muss, einen Verräter als Bruder zu haben. Dann lebt er zwar, aber eigentlich ist er doch tot …« Er schnalzte mit der Zunge und gab seinem Pferd die Sporen.
    Sie ritten scharfen Trab bis weit in die Dunkelheit hinein und brachten die Tiere erst in eine langsamere Gangart, als sie die Türme eines Castello vor sich erblickten. Die Burg gehörte den Viscontis, und man gewährte ihnen Nachtlager und Abendessen.
    Am folgenden Morgen verließen sie Melegnano bei starkem Schneefall, der nicht

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