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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Lavendel quoll aus dem Schrank. Nardorus zog ein Tuch ähnlicher Färbung hervor und reichte es Beatrice.
    Die Seide schimmerte im Licht und war von ebenmäßiger Vollkommenheit. »Wundervoll! Sizilien oder Lunigiana?« Ihr Vater kaufte gelegentlich hochwertige Rohseide aus diesen Regionen, um sie in seiner Weberei verarbeiten zu lassen. Meist jedoch beschränkte er sich auf Rohwaren aus dem Nahen Osten, die über Genua geliefert wurden und weitaus günstiger zu erstehen waren.
    Â»Bravo, Madonna! Sizilien. Mein Großvater hat dort mit dem Anpflanzen von Maulbeerbäumen begonnen. Wir haben die Produktion nie eingestellt, obwohl sie teuer und aufwendig ist, aber das Ergebnis kann sich sehen lassen, eh?!« Buornardi klopfte sich vergnügt auf die Schenkel. »Lass uns einen Mokka servieren, Agostino.«
    Während Nardorus in den Nebenraum ging, um den Befehl weiterzuleiten, ging Beatrice zu dem geöffneten Schrank und betrachtete die Warenmuster aus Damast, Samt, Samite, einem schweren, golddurchwirkten, fein gemusterten Seidenstoff, und Cendal, einem weniger wertvollen, leichten Seidengewebe für Möbel, Banner oder Kleidung. Die Auswahl war groß, größer als im Kontor ihres Vaters, aber die Rimortellis unterhielten auch keine Seidenmanufaktur in Sizilien.
    Â»Gefällt Euch, was Ihr seht, Beatrice?«
    Buornardi war so ganz anders als sein Sohn, dachte Beatrice bedauernd. Er schenkte ihr Aufmerksamkeit und war an ihrer Meinung interessiert. »Sehr, Signore. Ihr habt ein erlesenes Angebot an Stoffen. Da ich weiß, dass Euer zweiter Sohn in Antwerpen ist, nehme ich an, Ihr beliefert auch den Norden?«
    Â»Natürlich! Unsere Seide geht nach Nürnberg, Straßburg, Paris, Flandern, das englische Königshaus schwört auf Buornardis Stoffe, und sogar nach Wien und Buda haben wir schon geliefert.« Seine Miene verdüsterte sich. »Alessandro ist in Antwerpen, ja, ja, da ist die Börse, an der große Geldmengen innerhalb kurzer Zeit umgesetzt werden. Es kann einem schwindelig werden bei den Summen, die nur auf dem Papier hin- und herbewegt werden …« Mit beiden Händen knetete er den goldenen Knauf seines Stockes.
    Â»Bereitet Euch etwas Kummer, Signore?« Bevor Buornardi antworten konnte, kehrte Agostino in Begleitung eines Dienstmädchens zurück, das dampfenden Mokka in kleinen Tassen und einen Teller Gebäck brachte.
    Der Kaffeeduft durchzog den Raum, und Buornardi schnupperte genießerisch. »Das einzig Gute, was die Türken je hervorgebracht haben, ist ihr Mokka. Ist Mandelgebäck dabei?«
    Â»Natürlich.« Agostino, den Beatrice auf Ende dreißig schätzte, denn seine Bewegungen waren flink, und die blasse Haut zeigte wenig Linien, legte zwei Stücke Mandelgebäck auf den Teller mit der Mokkatasse und reichte ihn vorsichtig Buornardi.
    Ein Sohn hätte sich kaum fürsorglicher verhalten können als Nardorus gegenüber seinem Herrn. Ob Federico eifersüchtig auf Nardorus war? Wahrscheinlich bemerkte er den Buchhalter kaum, der mit seinen tiefliegenden Augen und der schmächtigen Gestalt wie zum Inventar des Kontors gehörig wirkte. Von der Straße drang Lärm herein, und Beatrice sah, wie die Männer den Leichnam des toten Poggio heraustrugen. Federicos Stimme erscholl, und einen Augenblick später kam er, gefolgt von einem der großen Jagdhunde, in das Kontor geeilt.
    Â»Was treibt Ihr hier? Habt Ihr keine Beschäftigungen, die einer Frau angemessen sind?« Sein Degen hing gesäubert an seinem Gürtel.
    Â»Euer Vater hatte mich gebeten …«, begann sie, wurde aber sofort von Federico unterbrochen.
    Â»Schweigt! Ich habe keine Zeit für Eure Erklärungen. Signore, ich muss mit Euch sprechen. Allein!«, fügte er mit drohendem Blick auf Beatrice hinzu.
    Agostino Nardorus stellte das Tablett mit dem Mokka sorgsam auf einen Tisch und ging lautlos hinaus. Beatrice folgte ihm. Im Nebenkontor sah Nardorus einem der Schreiber über die Schulter.
    Â»Tut es Euch leid, dass Ser Buornardi die Geschäfte nicht mehr leitet?«, fragte sie den Buchhalter.
    Dieser zuckte mit den Schultern. »Es steht mir nicht zu, über meinen Herrn zu urteilen. Unter meinen Vorfahren sind Leibeigene, im Vergleich dazu geht es mir gut. Du schreibst in der falschen Spalte, Dummkopf!« Er gab dem Schreiber einen Klaps auf den Hinterkopf.
    Der Mann errötete und suchte nach

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