Die Tochter des Tuchhandlers
einer Möglichkeit, den Fehler möglichst unsichtbar zu machen. Niemand achtete auf Beatrice, die niedergeschlagen an der Küche vorbei wieder in den Hof schlenderte. Eine frische Schneedecke verdeckte den Schauplatz des Unglücks.
»Madonna, Madonna!« Ines winkte aus dem gegenüberliegenden Eingang, zog sich ihr Schultertuch über die Haare und kam zu ihrer Herrin. »Ihr seid kaum hier und macht solchen Unsinn. Wie soll das bloà noch werden?«
»Unsinn? Ich mache keinen Unsinn, Ines. Ich habe mich sehr nett mit Ser Buornardi unterhalten. Er hat mir das Kontor gezeigt.«
»Das sieht Euch ähnlich, aber Ihr seid hier nicht bei Eurem Vater. Man erwartet, dass Ihr Euch benehmt wie eine Dame.« Vorsichtig zog Ines das Tuch von ihren aufgesteckten Haaren, während sie gemeinsam wieder ins Haus traten.
»Soll ich mich zu den anderen Gänsen in den Salon stellen, zitternd aus dem Fenster sehen und Kuchen essen, bis ich so aussehe wie Ginevra oder ihre fette Mutter?«
»Ich war eben bei denen drinnen. Also, einen sehr guten Eindruck habt Ihr nicht hinterlassen.« Ines grinste. »Aber das schert Euch nicht, oder?«
»Hast du die Geschenke gesehen?«
»Ich werde einiges davon in Euren Salon bringen lassen.«
»Meinen Salon?«
»Neben dem Ankleideraum, nicht sehr groÃ, aber mit einem schönen Blick auf den Garten. In meinen Augen ist das ein Lesezimmer.« Ines machte eine affektierte Geste mit der Hand. »Unser Maestro nennt wohl alles, was gröÃer als eine Besenkammer ist, einen Salon.«
»Hast du meine Bücher schon ausgepackt?«
»Selbstredend. Ich habe die Kleider ausgebürstet und aufgehängt, wobei mir ein Mädchen geholfen hat. Nina ist fünfzehn Jahre alt und seit drei Jahren hier im Haus. Sie sagt, dass die alte Buornardi launisch und ungerecht ist, ganz im Gegensatz zu ihrem Mann, über den alle hier nur Gutes sagen.«
Während Beatrice dem Redeschwall ihrer Zofe zuhörte, gingen sie die Treppe hinauf in Richtung des Salons, den Ines zum Lesezimmer erkoren hatte, denn Beatrice verspürte den Wunsch, allein zu sein. »Und was sagen sie über Federico?«
Ines überlegte kurz. »Eigentlich nicht viel. Er ist oft unterwegs, scheint aber gutgelitten zu sein, wenn er auch als streng gilt. Nina schwärmt von dem jüngsten Bruder, Tomeo. Der ist ja sehr hübsch und soll ein richtiger Draufgänger sein, hmm, na ja, sagt sie â¦Â« Sie öffnete die Tür zu dem Raum am Ende des Flügels, der neben Beatrices Ankleidezimmer lag.
Ãberrascht hielt Beatrice den Atem an. Der quadratische Raum war geschmackvoll eingerichtet. Ein zierliches Schreibmöbel mit Elfenbeineinlagen und mehreren Schubfächern stand vor einem der Fenster, die so tief heruntergezogen waren, dass man sich bequem daraufsetzen konnte, wozu weiche Sitzkissen auf den Fensterbänken einzuladen schienen. Genau der richtige Platz, um zu lesen oder einfach nur seinen Gedanken nachzuhängen, dachte Beatrice. Ein Sessel neben einem orientalisch anmutenden Tischchen und Bücherregale vervollständigten die Einrichtung. »Hübsch, in der Tat. Bring mir einen Krug warme Milch und ein panino oder was es in der Küche gibt.«
Nachdem Ines gegangen war, ging Beatrice zum Schreibtisch, auf dem ein Tintenfass, Federn und eine Dose mit Siegeloblaten standen. In einer Ledermappe lagen sauber geschnittene Papierbögen. Die glühenden Holzscheite im Kamin knisterten und verbreiteten eine angenehme Wärme. Seufzend sank Beatrice in den Sessel und hob ihr Kleid, damit die Wärme unter die langen Röcke dringen konnte. Dabei fiel ihr Blick auf ein kleinformatiges Gemälde über der Feuerstelle: eine Madonna mit zwei Engeln. Sie konnte die Signatur nicht erkennen, meinte jedoch, einen Filippo Lippi zu erkennen oder zumindest eine gute Kopie. In einem der Regale lag auch ihre Laute, doch nach Musizieren war ihr nicht zumute. Das Bild des toten Arrigo Poggio stand ihr noch vor Augen. Warum hatte Rodolfo da Sesto ihn so vorschnell getötet, wo er doch ohnehin gestorben wäre? Irgendeine Intrige wurde hier in Lucca gesponnen, aber von wem und warum? Ihr Vater hätte mit ihr darüber gesprochen, aber ihr eigener Mann missachtete sie. Sie wollte nicht zur Seite geschubst werden wie die arme Ginevra, sie wollte wissen, was in der Welt passierte.
Es klopfte an der Tür.
»Ja bitte!«
Ines brachte
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