Die Tochter des Tuchhandlers
nur gelegentlich zum Abendessen, das im Familienkreis eingenommen wurde.
Beatrice schlenderte über den Hof, als ein Kurier eintraf. Die Hunde, von denen immer zwei oder drei im Hof herumstrolchten, bellten. Der Mann sprang von seinem erschöpften, schweiÃnassen Pferd, die Botentasche um den Körper gebunden. »Wo ist der Herr?«
Andrea kam aus dem Haus und gab dem Boten einige Münzen in die Hand. »Geh dort in die Küche und hol dir eine Mahlzeit.«
In diesem Moment kam Federico hinzu und nahm seinem Diener den Brief ab, um ihn sofort zu lesen. Plötzlich ballte er die Faust und rief: »Wir stehen kurz vor einem Sieg! Pescara und seine Männer haben den Franzosen empfindliche Verluste zugefügt, und deren bester condottiere ist verwundet!«
Beatrice stand einige Schritte von ihm entfernt und faltete dankbar die Hände. Aber wie hoch waren die Verluste gewesen? Wer gehörte zu den Gefallenen? »Das ist eine gute Nachricht. Wisst Ihr auch, ob mein Onkel, Hartmann von Altkirch, am Leben ist? Und geht es Eurem Bruder gut?«, wandte sie sich an Federico, mit dem sie auÃer einigen Höflichkeitsfloskeln bislang kaum ein Wort gewechselt hatte.
»Was kümmert es Euch?«, gab er barsch zurück.
»Es kümmert mich, weil Tomeo Euer Bruder ist. Ist das so schwer zu verstehen? Ich habe keine Geschwister, doch wenn ich welche hätte, würde ich um sie bangen.« Er machte sie wütend. Kaum sprachen sie miteinander, gerieten sie in Streit.
Seinem Gesichtsausdruck war nicht zu entnehmen, was er dachte. »Tomeo schlägt sich tapfer. Wenn sie Pavia halten und die Franzosen geschlagen haben, wird er Ostern vielleicht bei uns sein. Hartmann von Altkirch hat sich ebenfalls sehr verdient gemacht. Euer Onkel ist ein mutiger Mann.«
Beatrice machte einen Schritt auf ihn zu, doch die Distanz zwischen ihnen verringerte sich nicht. Er hatte die Hochzeitsnacht mit keinem Wort erwähnt und sich ihr seitdem nicht wieder genähert. Schweigend standen sie sich gegenüber. Wünschte er sich, sie wäre Marcina? Noch hatte sie keine Gelegenheit gehabt, das Hospital aufzusuchen, aber sie würde herausfinden, wer diese Frau war, die ihn so faszinierte.
V
Begegnung in San Michele
»O heilige Mutter Gottes, was für ein Gestank!«, rief Ines angeekelt aus und hielt sich ihr Tuch vor den Mund.
»Reià dich zusammen. Dadurch fühlen sich die armen Seelen hier nicht besser«, wies Beatrice ihre Zofe zurecht.
Sie standen im Krankensaal des Hospitals von Santa Caterina. Auf schmalen Holzpritschen lagen Schwerkranke, Alte, um die sich niemand kümmerte, und Einwohner Luccas, die sich keinen Arzt leisten konnten. Die Barmherzigen Schwestern, die den Dominikanern unterstellt waren, pflegten die Hilfsbedürftigen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, doch überall fehlte es an Geld für Arzneien oder saubere Tücher. Viele Krankheiten entstanden durch Hunger und Dreck, doch wie sollten die Nonnen den Armen erklären, dass sie ihre Kleider waschen mussten, wenn sie nicht mehr als ein Paar Hosen und ein Hemd besaÃen?
»Hier, seid so gut und legt das der Frau auf die Stirn.« Eine junge Nonne mit sanften Augen gab ihr ein feuchtes Tuch, welches Beatrice einer Schwangeren auf die Stirn legte, deren Bauch gefährlich aufgebläht war.
Die Frau stöhnte und wand sich schweiÃgebadet hin und her. Von Krämpfen geschüttelt schlug sie immer wieder um sich. Als Beatrice beruhigend auf sie einredete, entspannte sich das gequälte Gesicht, und die Frau öffnete die Augen. »Es wird alles gut, macht Euch keine Sorgen. Die Schwestern helfen Euch.«
Braune Haare klebten der Frau, die Ende zwanzig sein mochte, auf der Stirn. »Ihr seid freundlich, Madonna. Wie heiÃt Ihr? Ich habe Euch noch nie hier gesehen.«
»Beatrice. Ist das Euer erstes Kind?«
»O nein, das neunte, und das letzte, fürchte ich. Diese Schmerzen! O Herr Jesus, das halte ich nicht aus.« Sie schrie und umklammerte verzweifelt ein Amulett, das an einem Band um ihren Hals hing.
Die junge Nonne kam zu ihnen und nahm Beatrice ein Stück zur Seite. »Sie wird sterben, und sie weià es.« Trauer, aber auch Schicksalsergebenheit lagen in den Augen der Nonne.
Erschrocken sah Beatrice zu der Schwangeren hin, deren aufgerissene Hände das Amulett nicht loslieÃen. »Ist das ein Talisman? Warum kann man ihr nicht
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