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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Toskana, wenn nicht ganz Italiens war.
    Alberto Mari hatte eine hohe Stirn, leicht vorquellende Augen, eine gebogene Nase und einen breiten Mund, der unentwegt in Bewegung war, selbst wenn er nicht sprach, was selten der Fall war. »Verdammte Schindmähre, na komm schon!« Er gab dem langsam dahintrottenden Tier die Sporen, doch das Pferd ließ sich nicht dazu bewegen, eine schnellere Gangart anzuschlagen.
    In der Ferne entdeckte er Lichter und die dunklen Umrisse von Gebäuden auf den Hügeln. »Gott, ich danke dir!«
    Erfreut über den Anblick der vertrauten Silhouetten von San Francesco und dem Campanile des Doms rückte er im Sattel hin und her und bemerkte kaum, dass das Pferd von allein in einen leichten Trab verfiel, wohl wissend, dass im Nachtquartier Futter und Wasser warteten. Seine Gedanken glitten immer wieder zurück zu jenem unseligen Gespräch mit Flamini. Politik war nie seine Sache gewesen, aber seit er dem Geheimsekretär Flamini unterstellt worden war, konnte er Augen und Ohren nicht länger vor den intriganten Machenschaften des päpstlichen Hofes verschließen. Selbst wenn er vorgab, nichts zu wissen, glaubte ihm niemand, weshalb er quasi zum Handeln gezwungen wurde.
    Aus verarmtem Adel stammend, hatte Alberto Mari in ein Kloster eintreten müssen, um auf eine Universität gehen zu können. Er hatte sich dem Übersetzen lateinischer und griechischer Schriften verschrieben. Sein persönlicher Gott war Cicero, dessen Satzbildung, klare Argumentationen, glanzvolle Reden und philosophische Diskurse ihn zu Begeisterungsstürmen hinrissen. Natürlich konnte er das niemandem sagen, jedenfalls nicht Flamini oder seinen Kardinalsfreunden. Nein, die Zeiten hatten sich geändert, der freie Geist durfte sich nicht länger frei nennen, denn die Schatten der Inquisition wurden schwärzer und länger.
    Â»Engstirniges Pfaffenvolk …«, fluchte Alberto Mari vor sich hin und sah sich gleich darauf um, ob ihn auch niemand gehört hatte. Ausgerechnet ihn, den überzeugten Humanisten, hatte Flamini geschickt, um in Lucca den Mann zu treffen, der mit Agozzini in Kontakt hatte treten sollen. Aber die Sache war kompliziert geworden. Der Kontaktmann hielt sich bedeckt. Wahrscheinlich hatte er Angst bekommen. Auch Mari war bange. Wenn ihre Stadt bedroht war, kannten die Luccheser keine Gnade. Hatten sie nicht gerade erst die Rebellion der Poggios im Keim erstickt?
    Verständlich, wenn sich der Wagemut ihres Verbündeten in Lucca jetzt in Grenzen hielt und er als Verräter an seiner Stadt ein ähnliches Schicksal wie das des Legaten fürchtete. Der alte Lüstling... Ein abfälliges Lächeln glitt über Maris Gesicht. Seine Vorliebe für hübsche Knaben hatte ihn das Leben gekostet. Wie auch immer die Falle gestellt worden war, in die Agozzini nur zu willig getappt war, seine Tage waren ohnehin gezählt gewesen, wie es schien. Denn den Berichten zufolge hatte der Legat an der Franzosenkrankheit gelitten. Es musste den eitlen Agozzini sehr getroffen haben, den körperlichen Verfall an sich zu entdecken.
    Â»Halt! Wer seid Ihr?«
    Die Stimme des Torwächters von San Miniato riss Mari aus seinen Gedanken. Er zeigte ein Dokument vor, das ihn als Gesandten des Vatikans auswies, und wurde sofort durchgewinkt. Vor ihm trieb ein Bauer seinen Ochsenkarren die Straße hinauf. Der Mann schlug mit einer Weidenrute auf die schweren Tiere ein, und Mari musste warten, bis das Gefährt in eine Seitenstraße einbog, damit er durch die teilweise gepflasterten Straßen traben konnte. Zwei Dominikanermönche traten zur Seite, um ihm Platz zu machen.
    Â»Brüder, wo finde ich die Kirche San Domenico? Ich suche ein Nachtquartier.«
    Der Größere der beiden, dessen Tonsur im Abendlicht schimmerte, neigte höflich den Kopf. Seine Hände ließen einen abgenutzten Rosenkranz durch die Finger gleiten. »Seid gegrüßt, reverendo , reitet diese Straße bis zur Piazza della Repubblica hinauf, dort seht Ihr den Palazzo dei Vicari Imperiali, gegenüber befindet sich der Dom.«
    Der zweite Bruder, ein beleibter Mann mit blinzelnden Augen, schaltete sich ein. »Bruder Lucas macht es wieder viel zu umständlich. Reitet einfach geradeaus, den nächsten Hügel hinauf und wieder hinunter, und dann kommt Ihr direkt auf San Domenico zu. Dort sind auch wir zu Hause.«
    Â»Danke, sehr freundlich.« Mari suchte in

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