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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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klerikale System gegeben. Luther war ein schlauer Mann, viel einfallsreicher und zäher, als Clemens gedacht hatte. War es nicht Seneca, der sagte, dass wir fremde Fehler sehen, die unsrigen aber nicht?
    Seine Schritte erschienen ihm plötzlich viel zu laut in dem mittlerweile menschenleeren Kreuzgang. Er hielt inne, wartete auf das Echo seines Schrittes, das auch prompt erklang, und wiederholte dieses Spiel einige Male, bis er genug hatte, sich hinter einem Pfeiler verbarg und auf seinen Verfolger wartete, der wenige Augenblicke später um die Ecke bog. Es war einer der beiden Mönche, die ihm den Weg zum Kloster gewiesen hatten. Mit blinzelnden Augen und erschrockenem Gesichtsausdruck stand der Dominikaner vor ihm. Die Situation war ihm sichtlich unangenehm, und er trat verlegen von einem Bein auf das andere.
    Â»Hochwürden, Ihr sollt nicht denken, dass ich Euch gefolgt bin …«
    Alberto Mari zog die Augenbrauen in die Höhe. »Ach nein?«
    Â»Nein, nein, ich meine, natürlich muss es so aussehen, aber ich wollte Euch nicht stören in Eurer Kontemplation und nur auf einen geeigneten Moment warten, um mit Euch zu sprechen.« Er räusperte sich. »Ich bin Bruder Severin, nach dem heiligen Severinus, dem Wandermönch aus dem Orient, der nach Norikum …«
    Â»Ich kenne die Geschichte von Severinus.«
    Severin blinzelte noch stärker als vorher. »Ja, nun, also ich möchte, dass Ihr mir von Rom und dem Heiligen Vater erzählt. Wie sieht es in Sankt Peter aus? Der Dom, wie steht es um den Dom?« Seine Hände formten die Kirche fast in der Luft.
    Mari musste unwillkürlich lachen. »Was seid Ihr, Bruder Severin, ein Baumeister?«
    Â»Ich wünschte, ich wäre es, dann baute ich den herrlichsten Dom über dem Grab des Apostels Petrus, den die Welt je gesehen hat. Ich kann Steine schlagen. Hier bin ich für das Mauern zuständig. Meint Ihr nicht, sie brauchen kräftige Steinmetze dort? Und was ist mit dem Kaiser? Zieht er jetzt aus Italien fort?«
    All dies brachte Bruder Severin in einem Atemzug hervor, doch bei den letzten Fragen horchte Alberto Mari auf. Vielleicht war dieser Mönch nicht so naiv, wie er sich gab. Er durfte es nicht darauf ankommen lassen. Freundlich legte er ihm die Hand auf die Schulter. »Lasst gut sein, ich bin erschöpft von der Reise, und meine Gelenke schmerzen, denn Pferde waren mir noch nie gewogen.«
    Â»Oh.« Enttäuscht ließ Bruder Severin die Schultern sinken und nestelte an seiner Kordel. Er mochte fünfundzwanzig Jahre alt sein, vielleicht jünger, aufgrund seiner Körperfülle war das schwer zu sagen.
    Â»Es gibt doch sicher viele Reisende, die hier Halt machen und Euch von Rom berichten können«, ermunterte Mari den Mönch.
    Ruhig sah Severin sein Gegenüber an und sagte leise und mit veränderter Stimme: »Aber nur wenige Reisende kommen aus dem Vatikan und sind Vertraute von Geheimsekretär Flamini. Ich stehe auch in Flaminis Diensten, halte Augen und Ohren für ihn offen. Es ist unmöglich, Flamini etwas abzuschlagen.«
    Alberto Mari zuckte zurück, als hätte man ihn mit Eiswasser übergossen. Eine Gruppe Mönche trat aus der Kirche in den Kreuzgang, und Severin wurde wieder zu dem nervösen Mönch, der blinzelnd an seinem Rosenkranz drehte. »Seht Euch vor!«, raunte er, bevor er sich umdrehte und in der Dunkelheit verschwand.
    Was war davon zu halten? Mari seufzte und verfluchte den Tag, an dem er sich für die geistliche Laufbahn entschieden hatte, um seine Studien betreiben zu können. Entweder wollte Flamini ihn so wissen lassen, dass er ein Netzwerk von Spitzeln hatte, um sicherzugehen, dass Alberto auch alle Anstrengungen unternahm, den lucchesischen Verräter zu finden, oder aber der Mönch wusste mehr und hatte Angst. Warum kam er nicht einfach selbst hierher, der Herr Geheimsekretär, wenn er ihm nicht traute? Verärgert verließ Mari den Kreuzgang.

VII
    Verratene Allianz
    Am späten Abend des Osterfests saß Beatrice allein in ihrem studiolo , wie sie ihr kleines Lesezimmer gern nannte. Vereinzelt streunten noch Betrunkene durch die Straßen, doch das Volksfest war vorüber, und die Stadtknechte sorgten auf ihren Kontrollgängen für Ruhe in den Gassen. Auf dem Tisch neben ihr brannte eine Kerze, die im Luftzug des leicht geöffneten Fensters flackerte.
    Erst jetzt fand sie Zeit, sich das Flugblatt aus der

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