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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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seinem Gürtel nach einer Münze, doch der kleinere Mönch winkte ab.
    Â»Lasst gut sein, Hochwürden. Aber sagt, wo kommt Ihr her? Ihr seht aus, als hättet Ihr eine lange Reise hinter Euch.« Die neugierigen Augen blinzelten nervös.
    Â»Aus Rom.« Vielleicht hätte er etwas anderes sagen sollen, doch die beiden einfachen Mönche schienen ihm harmlos genug.
    Â»Oh, aus der Stadt des Heiligen Vaters! Sagt, habt Ihr ihn gesehen?«
    Alberto Mari lächelte, als er die naive Ehrfurcht in den Augen der Mönche sah. »Ja, mir ist diese Ehre schon zuteilgeworden«, sagte er sanft.
    Â»Erzählt uns davon! Bitte, Hochwürden, erzählt uns alles über Sankt Peter und den Heiligen Vater!«
    Bruder Lucas legte seinem Gefährten eine Hand auf die Schulter. »Lass den Mann ziehen, er sieht müde aus. Verzeiht uns, Hochwürden. Gott mit Euch!«
    Mari erwiderte den Segen und wandte sein Pferd in die angewiesene Richtung. Unterwegs traf er etliche Pilger, die an ihren obligatorischen Attributen zu erkennen waren: Flasche, Hut, gebogener Pilgerstab und Tasche. Zu jeder Jahreszeit strömten Pilger in Scharen nach Rom zu den Gräbern der Apostel oder begaben sich auf die kostspielige Reise ins Gelobte Land, nach Jerusalem. Die Jakobspilger erkannte man an der Muschel, die sie am Hut trugen. Sie waren auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Auf ihren oft wochen- oder monatelangen Reisen rasteten die Pilger in Klöstern und Hospizen an den Pilgerstraßen. Die Francigena zählte zu den Hauptadern nach Rom, und in San Miniato kreuzte sie die Verbindungsstraße zwischen Pisa und Florenz.
    Die besten Schlafplätze im Kloster von San Domenico waren bereits von Pilgern belegt. Angesichts des Betriebs auf den Straßen hatte Mari nichts anderes erwartet, wollte aber auch kein Aufsehen auf seine Person ziehen, indem er sich als päpstlicher Botschafter auswies. Offiziell hatte Flamini ihn mit einem Schreiben an Bischof Francesco Sforza de Riario von Lucca geschickt. Seine eigentliche Aufgabe bestand jedoch darin, herauszufinden, was aus dem Brief von Agozzini an den geheimnisvollen Kontaktmann in Lucca geworden war, und, wenn möglich, mit dem Mann selbst in Verbindung zu treten. Agozzini hatte sich mit dem Unbekannten treffen sollen. Nun war der Legat tot und der Brief verschwunden. Es war schwierig genug gewesen, überhaupt jemanden in Lucca zu finden, der bereit gewesen war, seine Stadt, unter bestimmten günstigen Bedingungen natürlich, an die päpstliche Partei zu verraten. Wie Flamini diesen Kontakt eingefädelt hatte, blieb eines seiner vielen Geheimnisse, aber die Geschichte hatte einen Haken. Erst nach Agozzinis Ermordung hatte sich Flamini seinem Sekretär offenbart und zugegeben, dass er den Namen des Mannes in Lucca nicht kannte, da er nur über einen Mittelsmann verhandelt hatte. Eine vertrackte Geschichte!
    Alberto Mari saß im Speisesaal der Pilger und beendete sein schlichtes Mahl. Er trank den letzten Schluck des warmen und sehr dünnen Gewürzweins, wartete, bis die Tafel aufgehoben wurde, und begab sich dann auf einen Rundgang durch das Kloster. Ein Mönch zündete die Fackeln in den Gängen und auf den Höfen an. Für einen Geistlichen war dies ein besonders ketzerischer Gedanke, aber er kam nicht umhin, die eifrigen Männer und Frauen lächerlich zu finden, die sich so sichtbar anstrengten, einen frommen Eindruck zu machen, und darauf hofften, eine Reliquie zu sehen oder zu berühren. Mari schüttelte seinen Kopf bei dem Gedanken an die Hühnerknochen oder Haarsträhnen, die unter großem Aufwand als Reliquien der Heiligen ausgestellt wurden. Mit auf dem Rücken verschränkten Händen wanderte er durch den Kreuzgang und hielt kurz an, um einen Blick in den Garten zu werfen, der in der Dunkelheit nur zu erahnen war. Die Erlösung von allen Sünden war der Sinn dieser beschwerlichen und kostspieligen Pilgerreisen. Für genügend Geld und den Nachweis großer Mühen, die man auf sich genommen hatte, konnte der reuige Gläubige einen Ablassbrief kaufen und sich von seinen Sünden loskaufen. Das war nicht recht, auch wenn damit die leeren päpstlichen Kassen gefüllt wurden, um den Bau am Dom von Sankt Peter fortzusetzen.
    Seufzend nahm der Gelehrte seinen Spaziergang wieder auf. Sie hatten es übertrieben und den Unzufriedenen nur noch mehr Grund zur offenen Rebellion gegen das

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