Die Tochter des Tuchhandlers
ich Euch kenne, Beatrice Buornardi? Nein? Ihr wäret wahrscheinlich zu stolz, es zuzugeben, aber eines Tages werden die Karten anders verteilt sein, und dann hilft Euch niemand! Eure Gebete werden ungehört verhallen, und Euer Flehen und Betteln wird umsonst sein, weil Ihr nicht wisst, an wen Ihr Euch wenden sollt in Eurer Not. Eines Tages ⦠Beatrice, vergesst das nicht!«
Wie versteinert und stumm vor Angst lieà Beatrice den hasserfüllten Ausbruch Marcinas über sich ergehen. Die Porretta trat dicht vor sie und drängte sie an die Wand, besann sich jedoch plötzlich und ging mit einer verächtlichen Geste davon.
Verwirrt und höchst beunruhigt trat Beatrice wenig später auf die Piazza. Was zum Teufel war nur in diese Frau gefahren? Es konnte nur um Federico gehen. Wollte sie Geld? Oder ging es um mehr als das? Hatte sie seine Frau werden wollen? Vielleicht hatte Federico ihr sogar die Ehe versprochen! Genauso, wie man einen unliebsamen Ehemann auf die unterschiedlichsten Arten loswerden konnte, gab es Wege, sich einer Gattin zu entledigen, die störte. Beklommen legte Beatrice eine Hand auf ihren Leib. Sie ahnte es seit einer Woche, aber gesagt hatte sie es noch niemandem.
Ein Sänger in bunten Strumpfhosen sprang auf ein Podest und stimmte eine cantilena rustica , ein Volkslied, an. Der Mann sang so laut und falsch, dass er unter grölendem Gelächter mit faulen Eiern und Tomaten beworfen wurde, woraufhin der vermeintliche Barde schimpfend das Weite suchte. Das Gewühl wurde dichter. Die fliegenden Händler, in deren Gefolge sich auch die flinken Taschendiebe befanden, die es in jeder Stadt zu Hunderten gab, boten ihre Waren feil. Ein blinder Landstreicher stellte sich in Positur und begann in geübter Manier, ein Märchen zu erzählen. Es dauerte nicht lange, und er war nicht nur von Kindern umringt, die ihm gebannt lauschten.
Beatrice riss sich von dem bunten Treiben los und hielt nach Federico Ausschau.
»Sucht Ihr Euren Mann?« Marchese Gadino del Connucci stellte sich dicht neben Beatrice. »Ihr duftet wie der Frühling, Madonna.«
»Unterlasst das!« Beatrice machte einen Schritt zur Seite. Der Mann war von unerschütterlicher Unverfrorenheit.
»Ihr spielt die Prüde wirklich sehr gut, aber Frauen, die sich zu lange zieren, werden irgendwann langweilig â¦Â« Seine schön geschwungenen Lippen verzogen sich zu einem süffisanten Lächeln. Mit einem Finger lenkte er Beatrices Kinn nach rechts.
In ihrem Blickfeld erschien Federico, der in ein Gespräch mit Marcina und Filippo vertieft war. Beatrice biss sich auf die Lippen.
»Ich sehe, Ihr habt verstanden. Ihr seid doch nicht eifersüchtig?« Connucci stellte sich lässig in Positur, eine Hand am Knauf seines Degens. Mit seinen hellbraunen, gewellten Haaren und den griechischen Gesichtszügen bot er das vollkommene Abbild eines Edelmanns.
Doch hinter der schönen Fassade sitzt ein intriganter, boshafter Geist, dachte Beatrice. »Ich spreche nicht mit Euch über meine Gefühle.«
»Warum nicht? Habt Ihr Angst vor Euren Leidenschaften?« Er sah sie an. »Fürchtet Ihr Euch vor etwas, das Ihr nicht kennt? Ah, Madonna, es sind erst unsere Abgründe, unsere geheimsten Wünsche und unser rückhaltloses Begehren, die uns menschlich machen.«
»Bitte unterlasst das, Marchese. Ihr seid respektlos.«
Er näherte sich ihr so weit, dass seine Lippen ihr Ohr berührten. »Wenn Ihr mich für respektlos halten würdet, wäret Ihr gegangen. Ihr spielt wohl gern mit dem Feuer, Madonna. Nur vergesst nie, dass es heià ist â¦Â« Damit lieà er sie stehen und schlenderte auf Federico zu.
VI
Der Sekretär aus dem Vatikan
Der Mann fluchte leise, riss sein Pferd am Zügel und bewahrte es davor, in eine tiefe Furche der schlecht ausgebauten StraÃe zu treten. Seit Tagen war er auf der Via Francigena unterwegs, hatte Siena und Poggibonsi hinter sich gelassen und sehnte sich nach einem weichen Nachtlager in San Miniato, das er in greifbarer Nähe wusste. Es begann bereits zu dämmern, was das Reiten auf der aufgerissenen StraÃe nicht leichter machte. Langsam wurde er zu alt für diese Art von Aufträgen. Sein Rücken und sein Gesäà schmerzten, und das Pferd schien ihn zu hassen. Kein Wunder, dachte Alberto Mari, der Sekretär von Domenico Flamini, das Tier wusste, dass er der schlechteste Reiter der
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