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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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der Außenstände hat. Ich kann meinen Bruder nicht im Stich lassen, auch wenn es seine Schuld ist.«
    Â»Seine Schuld?« Beatrice hatte den Eindruck gewonnen gehabt, dass die äußeren Umstände ausschlaggebend gewesen waren.
    Â»Ich habe ihm gesagt, er soll die Finger von unsicheren Geldanlagen lassen, aber er wollte sich beweisen. Das wird ihm eine Lehre sein. Soll er ruhig zittern und um sein Leben fürchten, dann ist er das nächste Mal vorsichtiger.« Federico versuchte, sein Bein zu bewegen, stöhnte jedoch vor Schmerz auf und ballte die Hände zu Fäusten. »Schickt mir Nardorus herauf. Ich werde alles Nötige veranlassen und …« Er sah sie durchdringend an. »Sagt meinem Vater nichts.«
    Ihr Magen rebellierte, und sie fühlte die Säure bereits in ihrer Kehle. Mit zwei Schritten erreichte sie die Waschschüssel, gerade noch rechtzeitig, um sich darin zu erbrechen. Sie würgte und spuckte, bis ihre Eingeweide brannten. »O Gott, das halte ich nicht aus«, murmelte sie und fühlte sich matt und elend. Wenn sie sich die nächsten sechs Monate so fühlen würde, verfluchte sie schon jetzt den Tag ihrer Hochzeit.
    Â»Warum habt Ihr mir nichts gesagt, Beatrice?«
    Sie wischte sich den Mund ab und drehte sich um. Er wirkte sehr zufrieden, und das machte sie wütend. Immer ging es nach seinem Willen. Was er befahl, geschah. »Früher oder später hättet Ihr es erfahren. Was macht das für einen Unterschied?«
    Â»Unterschied? Seid nicht immer so kaltschnäuzig, Beatrice. Es geht um meinen Erben. Unsere Ehe wurde aus verschiedenen Gründen geschlossen, erstens, damit Ihr mir Erben schenkt, und zweitens, damit Eure Mitgift mir bei der Begleichung von Außenständen hilft.« Er sagte das seelenruhig und mit großer Selbstgefälligkeit. »Ein Bonus war Eure Schönheit, daran besteht kein Zweifel. Es wäre sehr viel unangenehmer, müsste ich mein Haus mit einer hässlichen Person teilen. Der arme Connucci tut mir leid.« Federico lachte laut.
    Sein Lachen drang ihr bis ins Mark. Es lag etwas Triumphierendes darin, das sie erschauern ließ. Nein, sie hatte ihn unterschätzt; welche Gesichter er ihr auch immer bisher gezeigt hatte, dieses neue gefiel ihr ganz und gar nicht, und sie schwor sich, von jetzt an auf der Hut zu sein. »Ich hole jetzt Agostino Nardorus.«
    Auf ihrem Weg in die Kontorräume hätte sie vor Wut am liebsten geschrien. Ihr Mann war kaltherzig und berechnend, führte ein ausschweifendes Leben, und bald würde der ganze Palazzo wissen, dass sie schwanger war, und Lorenza hatte endlich einen Grund, sie herumzukommandieren. Doch die Dinge sollten einen anderen Verlauf nehmen.
    Ganz in Gedanken durchquerte Beatrice die Halle, kam an der Küche vorbei und betrat schließlich die Kontore, in denen ihr eine auffallende Stille entgegenschlug. Keiner der Schreiber oder Diener sprach, alle bewegten sich wie in Trance und starrten immer wieder zur Tür des Hauptkontors.
    Â»Was ist denn …?« Kopfschüttelnd stieß sie die schwere Tür auf und stand Agostino Nardorus gegenüber, der sich über Ser Buornardi beugte.
    Der alte Mann lag auf dem Fußboden des Kontors, die trüben Augen weit aufgerissen und zur Decke gerichtet, die Hände krallten sich um ein Stück Papier. Ein Speichelfaden rann aus seinem offenen Mund, doch der Brustkorb von Federicos Vater bewegte sich nicht. Alles an der unnatürlichen Haltung des alten Mannes sagte Beatrice, dass er tot war.
    Nardorus hob den Kopf, als er ihre Schritte hörte. »Er kam herein, sah mich an und fiel hin. Einfach so.« Die Augen des Buchprüfers standen voller Wasser.
    Beatrice legte ihm eine Hand auf die Schulter und kämpfte selbst mit den Tränen. »Er war die Seele dieses Hauses. Obwohl ich ihn nicht so lange kannte wie du, habe ich ihn sehr gern gehabt.« Ein tiefer Seufzer entfuhr ihr. »Wer sagt es ihr?«
    Nardorus erhob sich und glättete seinen Rock. »Ich werde das machen, Madonna.«
    Â»Mein Mann …« Sie kniete sich neben den Toten und strich ihm sacht über die Augen, die sich unter ihren Händen schlossen. Mit einem Tuch wischte sie den Speichel ab. Sein Herz war den Aufregungen der letzten Wochen nicht mehr gewachsen gewesen.
    Â»Ich sage es auch Eurem Mann.« Der schmächtige Buchprüfer nahm die Schultern zurück und zeigte eine entschlossene

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