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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Miene.
    Vorsichtig zog Beatrice das Papier zwischen Baldofare Buornardis Fingern heraus und glättete es. Auf der Unterseite des zerknitterten Bogens klebte der Rest eines Siegels. Sie hielt den Atem an. Die zerbrochenen Teile des Siegelwachses ließen die Umrisse von drei Kugeln erkennen, und die gehörten zum Wappen der Medici. »Was hat Ser Buornardi zu dir gesagt, als er ins Kontor kam?«
    Â»Nichts. Er war kreidebleich und schien sich über etwas schrecklich aufgeregt zu haben. Ich dachte noch, meine Güte, hat er den Leibhaftigen gesehen? Aber bevor er auch nur ein Wort herausbrachte, stürzte er zu Boden.« Nardorus zeigte auf den Brief. »Was ist das?«
    Getrocknetes Blut hatte die Schrift zum Teil verwischt, und an mehreren Stellen war das Papier zerrissen.
    Â»Es sieht fast aus, als hätte jemand den Brief in seinem Wams getragen.« Nardorus legte zur Verdeutlichung die Hand auf seine Brust. »Und dann hat ihm der Mörder einen Dolch hindurchgejagt.«
    Beatrice erkannte, was der Buchhalter meinte, denn als sie den Brief in die ursprünglichen Falten legte, deckten sich die Löcher im Papier. »Ihr habt recht. Verriegelt die Tür.« Draußen näherten sich Schritte, und sie hörte das Tuscheln der Diener.
    Mit dem Rücken zur Tür sah Nardorus sie ahnungsvoll an. »Für welches Geheimnis wurde ein Mord begangen? Es gab nur einen Mord in Lucca, der weite Kreise gezogen hat. Wenn Ihr dasselbe denkt wie ich, haben wir den in San Martino ermordeten päpstlichen Legaten vor Augen.«
    Hastig überflog sie die Zeilen oder vielmehr das, was noch leserlich war, und hielt dann Nardorus den Brief hin. »Lest selbst.«
    Sie hatten ihre Stimmen zu einem kaum hörbaren Flüstern gesenkt.
    Â»Die Botschaft wurde zweifelsohne mit dem Einverständnis Seiner Heiligkeit des Papstes von seinem Geheimsekretär Flamini geschrieben. Das Wappen der Medici ist darauf. Der Papst benutzt es nicht bei offiziellen kirchlichen Angelegenheiten.« Nardorus konzentrierte sich auf den verschmierten Text. »Dem Adressaten werden große Summen und Ämter versprochen. Der Zusammenhang ist nicht ganz klar, weil einige Worte unleserlich sind, aber als Gegenleistung will der Papst Unterstützung bei der Einsetzung von Alessandro de’ Medici als Herrscher von Florenz.« Mit offenem Mund starrte der Buchhalter auf den Papierfetzen, der ein perfides Komplott gegen die derzeitige Regierung von Florenz bedeutete. Allerdings schien Clemens nicht allein auf seine Truppen zu vertrauen, sondern wollte die Unterstützung Luccas.
    Beatrice dachte laut: »In den Augen des Papstes haben die Poggios in Lucca den Boden für Verrat bereitet. Was sonst undenkbar war, scheint jetzt möglich – nämlich einen Luccheser zu finden, der bereit ist, seine Stadt für eine angemessene Gegenleistung zu verraten.« Alberto Maris Andeutungen fielen ihr ein. Er hatte gesagt, dass die Poggios nicht allein gewesen waren. Aber wer waren diese ehrbaren Luccheser, die alles aufs Spiel setzen wollten? Die Mitglieder des Rates passierten vor ihrem inneren Auge Revue, und es war keiner darunter, dem sie zutrauen wollte, seine Stadt ins Verderben zu stürzen.
    Â»Alessandro de’ Medici, der Mohr, soll in Florenz herrschen. Welch beängstigender Gedanke«, murmelte Nardorus.
    Â»Es ist immer gemunkelt worden, dass Papst Clemens und nicht sein Bruder Lorenzo der Vater von Alessandro de’ Medici ist. Weil Alessandros Mutter eine afrikanische Sklavin sein soll, wird er der Mohr genannt. Wenn jetzt also der Papst diesen Brief autorisiert hat, kann das nur bedeuten, dass Alessandro tatsächlich sein illegitimer Sohn ist und er ihn in Florenz an die Macht bringen will.« Beatrice nahm den Brief aus Nardorus’ zitternden Händen entgegen. »Agozzini sollte sich hier in Lucca mit dem Verräter treffen. Aber woher hat Ser Buornardi den Brief? War ein Bote hier?«
    Â»Nein.« Nardorus schüttelte den Kopf. »Ausgegangen ist der Signore auch nicht. Er war nur in seinen Gemächern, im studiolo Eures Mannes, wo er Papiere einsehen wollte, und er erwähnte Signor Tomeo, für den er etwas erledigen sollte.«
    Ser Buornardi konnte den Brief also bei Federico oder unter Tomeos Dokumenten gefunden haben. Was bedeutete das? Entweder war einer der beiden der Verräter oder an dem Mord an Agozzini beteiligt oder aber einer der Brüder hatte den

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