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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Euch nur gar nicht ähnlich. Sonst seid Ihr unersättlich …«, gurrte die Kurtisane, lehnte sich über ihn, wobei ihre vollen Brüste seinen Bauch berührten, und nahm zwei Weinkelche von einem Tisch neben dem Baldachinbett. »Hier, trinkt, das bringt Euch auf andere Gedanken.«
    Wortlos ergriff Tomeo den Kelch und stürzte den Rotwein hinunter. Mit dem Handrücken wischte er sich den Mundwinkel trocken und hielt ihr den Kelch erneut hin. Es lag nicht am Krieg, dass er keine Lust verspürte. Er war Soldat und das Töten sein Beruf. Aber als er heute Abend seine Hände auf Livias üppigen Körper gelegt hatte, war es nicht sie gewesen, die er begehrt hatte, sondern eine zarte blonde Frau mit blauen Augen. Er warf den Kopf zurück und schloss die Augen. Was für ein Narr er war! Ständig dachte er an ihre klare Stimme, wenn sie ihre Meinung äußerte und ihn mit ihrer Klugheit überraschte, an ihr Lachen, bei dem sich kleine Grübchen neben ihren weichen, rosigen Lippen bildeten, an ihre Augen, die so schnell verletzt blickten oder Sanftheit und Mitgefühl ausdrücken konnten. Beatrice Buornardi, die Frau seines Bruders, ging ihm seit seinem letzten Besuch in Lucca nicht mehr aus dem Kopf.
    Livia küsste seine Schläfe und fuhr ihm durch die zerwühlten Locken. Sie war eine erfahrene Frau und hatte ihn nie enttäuscht. Wann immer er in Genua zu tun hatte, besuchte er sie und bedauerte jedes Mal, sie wieder verlassen zu müssen. Ihr Palazzo war eine exotische Oase der Sinneslust und ließ vergessen, dass sie sich in einer schmutzigen Hafenstadt befanden, die zum Teil in französischer Hand war. Allerdings wechselten die Machtverhältnisse fast stündlich, überall kam es zu kämpferischen Begegnungen von Guelfen und Ghibellinen, und das spannungsgeladene politische Klima spürte man in Genua in jeder stinkenden Gasse, in jedem verrotteten Winkel der dunklen Kaschemmen am Hafen, wo man bei jedem Schritt auf eine Ratte trat.
    Â»Wie sieht der König der Franzosen aus? Erzählt mir von Eurem Gefangenen, Tomeo.«
    Der Wein war gut und schmeckte nach Beeren und den Eichenfässern, in denen er gelagert wurde. Livia verwöhnte ihre Kunden. »Nicht mein Gefangener, Livia. Ich habe ihn nur mit hergebracht. Capitano Alarcon ist für ihn verantwortlich. Der König ist ein Ehrenmann. Wie er sich auf dem Schlachtfeld bei Pavia gehalten hat, das war eines Herrschers würdig. Ich kann nur mit Respekt von Franz sprechen, obwohl er seine hungrige Hand nach Italien ausstreckt.«
    Die Kurtisane strich sich die langen schwarzen Haare über die Schultern und zog eine seidene Decke über sich und Tomeo. »Wie sieht er aus? Ist er groß, klein, ein schöner Mann?«
    Â»Nicht groß und sicher nicht schön, dafür ist seine Nase zu lang, die Augen stehen zu eng. Aber er hat die grandezza eines Edelmanns. Er würde Euch gefallen, Livia.« Tomeo streichelte über ihre Hüften. »Und Ihr ihm.«
    Â»Könnt Ihr mich mit ihm bekannt machen?«
    Â»Vielleicht.« Er setzte sich auf die Bettkante und griff nach seinen Beinkleidern. Während er sich anzog, dachte er an Hauptmann Alarcon, der die undankbare Aufgabe hatte, den wichtigen Gefangenen zu bewachen. Für ihn selbst war der Auftrag mit der Ankunft des Trosses in Genua abgeschlossen. Von hier aus sollte Franz nach Neapel eingeschifft werden. Allerdings konnte es in Neapel zu Schwierigkeiten kommen, weil Charles de Lannoy dort 1522 von Karl V. zum Vizekönig gemacht worden war. Lannoy war Niederländer, genau wie Karl, und der Kaiser war dafür bekannt, dass er seine Landsleute bei der Ämtervergabe begünstigte. Seine eigenmächtigen Handlungen während des Krieges hatten Lannoy bereits mehrere Male mit den Feldherren Bourbon und Pescara in Konflikt gebracht. Tomeo hatte schon lange eine Abneigung gegen den ehrgeizigen Niederländer gefasst, der sich den Italienern gegenüber hochmütig und herablassend gebärdete. Pescara und Bourbon hatten entschieden, Franz nach Neapel bringen zu lassen, wo man auf weitere Befehle von Karl aus Madrid warten wollte. Doch Tomeo wäre nicht überrascht, wenn Lannoy etwas anderes mit dem Gefangenen vorhatte, nur um sich weiter bei Karl einzuschmeicheln. Mit Sorge dachte Tomeo auch an seinen Befehlshaber Pescara, dem seine Verwundung aus Pavia schwer zu schaffen machte, und auch die Situation innerhalb

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