Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
gegeben. Wie will der Fremde einen Gewinn machen,
wenn der Preis, den er für die Ware zahlt, viel zu hoch ist? Er wird sie nie ohne
Verlust verkaufen können. Was soll das?«
»Genau das
haben die Weber wohl auch erkannt, deshalb haben sie zugeschlagen und die höhere
Bezahlung genommen. Ihnen war klar, dass wir nicht nachziehen würden.«
»Weil wir
mit unserem Preis schon an der Grenze wirtschaften. Verdammt!«
»Flucht
nicht, Jungfer Jolanthe, das steht einer jungen Frau nicht gut zu Gesicht.« Sein
verschmitztes Lächeln zeigte ihr, dass seine Nervosität sich wieder gelegt hatte,
nun, wo er die schlechte Nachricht losgeworden war.
»Warum seid
Ihr mit den Münzen zurückgereist? Sicher hättet Ihr ein anderes Geschäft tätigen
können, selbst wenn Ihr Rohmaterial mitgebracht hättet. Das wäre besser als nichts.
Die Ulmer Weber nehmen uns auch gern die Wolle ab.«
Cornelius
zuckte wieder mit den Schultern. »Ich hatte nicht den Auftrag. Der Herr Winald gibt
mir genau vor, was ich zu tun und was zu lassen habe. Glaubt mir, ich habe gelernt,
dem zu gehorchen.«
Weil es
ja auch so einfach ist, dachte Jolanthe. »Dann geht und versorgt das Wenige, das
Ihr bringen konntet. Mein Vater wird heute nach dem Mittag ins Handelshaus kommen.«
Cornelius
verbeugte sich und verließ den Raum. So leicht möchte ich es mir auch mal machen,
ärgerte sich Jolanthe. Ich werde mit Vater reden müssen.
Sie tunkte
die Feder in die Tinte, um mit akkurater Schrift den Eingang der Münzen einzutragen.
Dann starrte sie aus dem Fenster und versuchte, sich einen Reim auf das Geschehene
zu machen. Ein entgangenes Geschäft konnten sie verschmerzen. Doch was war, wenn
es wieder geschah?
Am Nachmittag half Jolanthe der
Schwester in der Küche. Sie nahm gerade den Deckel von einem schweren Tongefäß und
griff nach dem Brot, das sie darin lagerten, als Geschrei von außen ertönte, so
unvermittelt und so durchdringend, dass sie zusammenfuhr. Männerstimmen riefen durcheinander,
was, das konnte sie nicht verstehen.
Der Vater
war nach dem Mittag zum Handelshaus aufgebrochen und wurde erst gegen Abend zurück
erwartet. Bis dahin wollte Sieglinde die Vorbereitungen für seine Einladung am nächsten
Tag beendet haben. Sie will sich morgen in Ruhe für die Gäste herausputzen und herrichten
können, dachte Jolanthe.
Von dem
misslungenen Geschäft hatte sie ihrem Vater nur kurz berichtet und sich vorgenommen,
jetzt am Abend nochmal ausführlicher mit ihm zu reden. Von Cornelius war er mittlerweile
sicher über die näheren Umstände informiert worden. Er würde es wie einen Verrat
der Biberacher Weber empfinden. Jolanthe aber sah es als gute Gelegenheit an, ihm
noch einmal ein paar grundsätzliche Dinge auseinanderzusetzen. Manchmal half bei
ihrem Vater allein Hartnäckigkeit, sonst nichts. Auch wenn er bei den seltenen Gelegenheiten,
bei denen sie ihn überzeugen konnte, im Nachhinein so tat, als sei es seine Idee
gewesen, das störte sie nicht.
»Was war
das?« Sieglindes Ausdruck spiegelte Besorgnis.
»Das kam
von der Straße.« Jolanthe ließ das Brot zurück in das Tongefäß fallen. Die Geräusche
von draußen hielten unvermindert an, so als habe die Gruppe vor ihrem Haus haltgemacht.
Ein lautes Pochen ließ sie erneut zusammenfahren. Sie rannte in den Flur. Gütiger
Gott, mach, dass nichts Schlimmes geschehen ist,dachte sie.
Mit wenigen
Schritten gelangte sie zur Haustür, öffnete sie und wurde von den hereindrängenden
Männern beiseite geschoben. Sie hielt dagegen, drängte sich dazwischen und konnte
einen Blick erhaschen auf einen Verletzten, der auf den Händen und Armen der Helfenden
ruhte. Eine zerfetzte, blutverschmierte Hose und ein merkwürdig verdrehter Fuß,
verkrampfte Hände, mehr konnte Jolanthe zwischen den Leibern nicht erkennen. Doch
die Hände waren ihr zu bekannt, sie sah sie täglich. Ein Stöhnen wurde übertönt
von einem durchdringenden Schmerzensschrei, als einer der Helfer stolperte.
»Vater«,
flüsterte Jolanthe, stolperte zurück, bis sie die Wand am Rücken spürte und ihr
Hinterkopf gegen den Stein prallte. Benommen blieb sie stehen.
Sie hörte
ihre Schwester Anweisungen rufen. Wie ruhig ihre Stimme war, Jolanthe hatte nicht
das Gefühl, überhaupt noch einen Ton aus ihrer Kehle zu bekommen. Die Männer schoben
sich mit ihrer Last die Treppe hoch. Sieglinde hatte die Führung ins Schlafgemach
Winalds übernommen. Die Gruppe verschwand aus Jolanthes Blickfeld, nur die Schmerzlaute
des Vaters
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