Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
nicht mehr nach mir schicken ließ, hat er sich wohl erholt.«
Pascal nickte,
mit dem Gefühl, dass das Schicksal einen Wink für ihn bereithielt. Zweifelsohne
waren das Neuigkeiten, die alles veränderten.
»Er ist
also wohlauf?«, fragte er, um sich noch einmal zu vergewissern.
»Ist er
ein Geschäftspartner von Euch? So lasst Euch gesagt sein, es ging ihm den Umständen
entsprechend, aber ich würde ihn aufsuchen an Eurer Stelle, solltet Ihr etwas mit
ihm zu klären haben. Man weiß ja nie.«
Pascal schob
dem Medikus das Papier mit seinen Preisberechnungen hin und meinte abwesend: »Das
werde ich sicher. Zahlt Ihr gleich oder mit einem Wechsel?«
Sein Kunde
bescherte ihm ein Säckchen voller Münzen, mit denen er verschiedene Wechsel auszulösen
gedachte. Am Ende würde ein stattliches Sümmchen an Gewinn für ihn stehen, davon
war er überzeugt. Er verließ den Arzt und beschloss, nach den Geschäften seine Kammer
aufzusuchen, um dort alles zu ordnen. Die Zahlen in seinen Büchern genauso wie die
Neuigkeiten mussten sorgfältig aufgearbeitet werden. Danach würde er weitersehen.
Winald war also verletzt und, so wie der Arzt es darstellte, nicht eben gering.
Das bedeutete einen Stillstand der Geschäfte sowie Schaden für das komplette Handelshaus
Kun und war ein Angriffspunkt, an dem sich ansetzen ließ. Merkwürdigerweise empfand
Pascal keinerlei Genugtuung, im Gegenteil, er hoffte auf Winalds Robustheit, die
Sache durchzustehen. Auf einmal kam es ihm merkwürdig vor, noch nichts von dem Missgeschick
gehört zu haben. Gerade in den letzten Tagen hatte er seine Ohren überall gehabt.
Die Kunde hätte sich wie ein Lauffeuer verbreiten müssen, schließlich gab es etliche
Leute, die mit Winald Geschäfte machten. Es sei denn … Das Kontor ließ sich ganz
offensichtlich auch ohne Winald führen. Pascal musste nicht lange darüber nachdenken,
um zu wissen, dass dabei Jolanthe die Schlüsselfigur war. Das war doch ein vielversprechender
Ansatz. Später, sagte er sich. Eins nach dem anderen. Er pfiff eine Melodie und
lief beschwingten Schrittes die Gasse entlang.
Sieglinde lächelte ihrem Gesicht
im Spiegel zu, den sie sich mit ausgestrecktem Arm vorhielt. Ja, sie konnte sich
sehen lassen. Die Vorbereitungen hatten auch lange genug gedauert, und Katrein war
ihr keine geschickte Hilfe gewesen. Allein die Haube auf dem Kopf, mit Seidenbändern
unter dem Kinn befestigt, hatte sie Nerven gekostet, schließlich wollte sie nicht
ihr sämtliches Haar darin verstecken, es sollten zwei, drei Strähnen hervorlugen.
Das grüne Tanzkleid hatte sie im letzten Jahr nach der neuesten Mode schneidern
lassen. In der Taille saß es eng, ging an den Schultern in einen Umhang über, der
mit Pelz besetzt war. Um Hüfte und Beine entfaltete sich eine Stofffülle, bei der
sie aufpassen musste, nicht zu stolpern. Kaum konnte man die Spitzen ihrer Lederschuhe
darunter sehen, die sie mit Perlen hatte besticken lassen. Sie war zufrieden mit
sich.
Einer der
Knechte vom Kontor würde sie begleiten und sie zum Tanzsaal der Stadt bringen. Heute
musste alles passen, und niemand sollte glauben, die Tochter vom Kaufmann Kun habe
keine Möglichkeiten, sich in Szene zu setzen.
Sie hatte
den Vater mit dem Thema Heirat in Ruhe gelassen, sich seine Worte zu Herzen genommen.
Einen anständigen Ehemann solle sie anbringen, und genau das würde sie heute Abend
tun. Die Tochter eines befreundeten Kaufmanns feierte das Erreichen ihrer Ehefähigkeit.
Zu diesem Anlass würden sämtliche ledige Kaufleute zugegen sein und etliche Mädchen,
die nach Männern suchten. Dass sie selbst bereits zu den etwas Reiferen zählte,
störte sie nicht. Viele Männer mochten die jungen Hühner nicht, und letztlich hatte
sie zwei Eisen im Feuer, die sie heute Abend erwartete und bei denen sie all ihre
Weiblichkeit einzusetzen gedachte: Vico und Pascal. Einer musste doch anbeißen,
wobei sie bei Pascal etwas würde nachhelfen müssen, doch sie hatte ein gutes Gefühl,
nachdem sie einige Male schon so nett geplaudert hatten.
Sie stieg
vorsichtig die Treppe herunter, steckte den Kopf in die Küche: »Ist der Knecht schon
da?«
Katrein
drehte sich vom Fenster zu ihr um. »Wartet seit einem Augenblick. Ich wollte Euch
gerade Bescheid sagen.«
»Ich hoffe,
er hat sich vernünftig herausgeputzt und die Fackel nicht vergessen.« Die würden
sie auf dem Heimweg brauchen.
Neben dem
Mann schritt sie durch die Gassen, den Rock gerafft, damit der kostbare Stoff keinen
Schaden
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