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Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Rosemann
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plötzlich so trocken anfühlte, dass sie glaubte, nie wieder ein
Wort herauszubringen.
    Dann sah
sie ihn. Am anderen Ende des Saales kam er gerade vom Eingang her und schritt in
die entgegengesetzte Richtung.
    »Entschuldigt«,
murmelte sie, erhob sich und stieg über die Bank. Sie legte Vico eine Hand auf die
Schulter. »Ich komme gleich wieder.«
    Sein verblüffter
Gesichtsausdruck wich einem erleichterten Lächeln. »Jaja, geht nur. Wir müssen ja
alle mal für kleine Jungs oder Mädchen.« Er lachte über seine Bemerkung, drehte
sich herum und begann ein Gespräch mit seinem Gegenüber. Sieglinde beachtete ihn
nicht weiter. Sie hastete in die Richtung, in der sie Pascal zwischen den Leuten
hatte verschwinden sehen.
    Sie fand
ihn in einer Gruppe von Kaufleuten, die miteinander diskutierten. Als sie näher
kam, verstand sie Brocken wie »… müsst Ihr das deutsche Haus in Venedig …« und »…
Ulrich Fugger hat mit den Habsburgern …«. Doch Pascal schien sich am Gespräch nicht
zu beteiligen.
    Entschlossen
stellte sie sich neben ihn und flüsterte: »Herr Pascal, wie nett, Euch hier zu sehen.«
Er drehte sich zu ihr um. Als er sie erkannte, lächelte er, und sie glaubte, ein
erfreutes Blitzen in seinen Augen zu erkennen.
    »Mit Eurer
Anmut bereichert Ihr diese Veranstaltung.«
    Sieglinde
spürte die Röte in ihrem Gesicht und verfluchte sich dafür. »Ihr schmeichelt mir.
Wollen wir einen Tanz wagen?«
    Sie sah,
wie er zögerte, packte seine Hand und zog ihn mit sich. Die Tanzenden formierten
sich gerade wieder neu. Sie verbeugten sich, dann begann das Lied, und Sieglinde
erkannte, dass Pascal die Schritte mühelos beherrschte. Sein sehniger Körper bewegte
sich mit einer Eleganz zum Takt der Musik, die Vico vermissen ließ. Warum hatte
er bei ihrer Frage gezögert, wenn er so gut tanzen konnte? Waren sie nicht hier,
um sich zu vergnügen? Ging sie ihm zu forsch ans Werk? Sie rümpfte die Nase, drehte
sich, machte einen Schritt nach links, zwei nach vorn, drehte sich erneut. Ohne
eine energische Haltung würde sie bei ihm nicht schnell genug weiterkommen. Sie
beschloss, alles auf eine Karte zu setzen, und sandte Pascal Blicke, von denen sie
hoffte, dass sie auffordernd wirkten. Sie wollte sich gleich nach dem Tanz um weiteren
Wein kümmern. Dann konnten sie sich in eine Ecke zurückziehen und miteinander plaudern,
sich ein wenig näher kommen. War es nicht ein gutes Zeichen, dass er hier war?
    Als die
Musik aufhörte, hakte sie sich bei ihm unter und winkte mit der anderen Hand einem
Diener. »Ich möchte mich mit Euch unterhalten über Paris. Über diese Stadt habe
ich schon so viel gehört.«
    »Paris ist
eine Stadt wie jede andere«, antwortete er ausweichend und lehnte den angebotenen
Becher Wein ab.
    »Der Abend
hat erst begonnen, warum trinkt Ihr nicht?«
    »Ich habe
noch zu tun.« Behutsam löste er ihren Griff und verbeugte sich leicht. »Seht’s mir
nach, ich wollte nur kurz vorbeischauen, um einen Freund nicht zu enttäuschen.«
    »Was habt
Ihr denn zu tun?« Sieglinde umklammerte ihren Becher und wollte nicht glauben, was
sie da hörte. »Kommt, ein wenig Zeit werdet Ihr für mich übrig haben.« Sie wollte
sich erneut bei ihm unterhaken, doch er wich aus.
    »Ihr habt
hier Gesellschaft genug.« Er nickte ihr zu. »Seid mir nicht böse und hört auf meinen
Rat: Trinkt nicht mehr allzu viel Wein heute Abend. Das Zeug steigt einem schneller
in den Kopf, als man schauen kann.«
    Er berührte
sie kurz am Arm, wie um sich zu entschuldigen. Dann drehte er sich um und ging zügigen
Schrittes zum Ausgang. Wie im Reflex folgte Sieglinde ihm, hielt dann inne, schalt
sich selbst ein dummes Huhn, wollte sich schon abwenden, als der Ärger in ihr hochwallte
und sie erstarren ließ.
    Sie so abzuwimmeln,
was fiel diesem Kaufmann ein! Er musste doch gemerkt haben, dass sie mehr von ihm
wollte als ein kleines Plauderstündchen. Sie wusste, wie sie auf Männer wirkte,
das hatte sie oft genug erproben können. Und heute hatte sie gewiss nicht wenig
ihrer Verführungskunst genutzt, angestachelt von dem Wein, der ihr das beschwingte
Gefühl der Sicherheit gegeben hatte. Sie war nicht betrunken! Wenn seine letzte
Bemerkung darauf abzielte, so wollte sie ihn dreimal verfluchen.
    Sie hob
ihren Becher, trank einen guten Schluck. Dann steuerte sie auf Vico zu, um wenigstens
ihn erfolgreich zu ködern. Was brauchte sie einen windigen Franzosen, wenn sie einen
grundsoliden Ulmer Kaufmann am Wickel hatte, der ihr zudem schon

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