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Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Rosemann
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meinte: »Jetzt wollen wir mal sehen, ob sich der sture Bock von mir helfen
lassen will.«
    Er wollte
nicht, zumindest zunächst nicht. Unter den tadelnden Blicken ihrer Schwester betrat
Jolanthe mit Martha das Gemach des Vaters und wurde von ein paar deutlichen Verwünschungen
empfangen.
    »Nachdem
wir uns unserer Feindschaft erneut versichert haben, lass mich nun meine Christenpflicht
tun und mir dein Bein ansehen.«
    Winald machte
eine abwehrende Geste. »Tu, was du nicht lassen kannst.«
    Als Martha
den Verband und die notdürftige Schiene abnahm, hielt er still. Martha wischte sich
mit dem Unterarm über die Nase und schien nachdenklich, während sie Knochensplitter
und rohes Fleisch betrachtete. Sie sagte nichts. Stattdessen ließ sie sich von Jolanthe
ein Fläschchen geben, das sie mitgebracht hatte. Sieglinde hieß sie, frische Bandagen
bereitzulegen.
    »Der Bruch
ist nicht mehr schienbar, zu viele Knochentrümmer, das wird nie zusammenwachsen.
Wenn ihr mich fragt, sollte das Bein amputiert werden. Man würde damit zudem sichergehen,
dass es ihn nicht irgendwann vergiftet.«
    »Du weißt
nicht, was du redest!«, krächzte Winald.
    Martha beachtete
ihn nicht. »Vielleicht hilft meine Tinktur. Ich habe Birkenrinde mit eingearbeitet,
die wirkt gegen Entzündungen. Wird es aber schlimmer, dann handelt.«
    »Du wusstest
doch beim Eintreten schon, was du mir sagen würdest«, rief Winald erbost und schrie
auf, als sie die Flüssigkeit in die Wunde träufelte.
    Martha zuckte
mit den Schultern, nickte Sieglinde zu, damit sie das Bein erneut schiente und verband,
dann verließ sie den Raum. Jolanthe eilte ihr hinterher.
    »Ich weiß,
was du mich fragen willst, aber lass es. Dein Vater ist unbelehrbar. Die Arzneien
werden ihm Linderung bringen.«
    Sie hatten
die Eingangstür erreicht. Jolanthe nestelte an ihrer Börse, doch Martha hielt sie
mit einer Hand zurück und gab ihr mit der anderen einen Beutel mit Kräutern für
Tee.
    »Lass. Ist
mein Geschenk an dich.«
    »Wird er
wieder gesund?« Sie wusste, dass die Freundin ihr das nicht so beantworten würde,
wie sie es hören wollte, dennoch war ihr die Frage herausgerutscht.
    »Das weiß
nur Gott. Wenn es Schwierigkeiten gibt, du weißt, wo du mich finden kannst.« Sie
strich Jolanthe mit einem Finger über die Wange. »Und auch sonst erwarte ich, dass
du mich mal wieder besuchst.«
    Jolanthe
nickte und umarmte Martha zum Abschied. Als sie die Tür schloss, besann sie sich
kurz, bevor sie sich dem Gewitter stellte, das Vater und Schwester für sie bereithielten.
Das Bein amputieren, es klang so einfach, und doch wusste sie, dass Winald dem niemals
zustimmen würde. Und Sieglinde erst recht nicht.

Kapitel 7
    Er trat bei seinem eigentlichen
Anliegen auf der Stelle. Dieser Eindruck verfolgte Pascal seit Tagen. Das Einzige,
was gut lief, waren seine Geschäfte, und in genau diese vertiefte er sich. Pascal
war sich dessen bewusst, und dennoch konnte er nicht von seiner Idee lassen. Das
Gefühl, etwas gegen seinen Widersacher Winald tun zu müssen, um mit sich selbst
wieder im Reinen zu sein, war stärker als jede Vernunft. Die Schmach von damals
zu tilgen, deswegen war er hier. In manchen Momenten gestand er sich ein, dass dieser
Drang nicht eben ehrenwert war.
    Mittlerweile
hatte er ein paar vorteilhafte Kontakte eingefädelt, die zumindest seinen Vater
zufriedenstellen würden. Einer dieser Kontakte führte ihn nun zum Haus des Medikus,
dem er ein paar seltene Zutaten für seine Arzneien besorgen konnte. Auch Mathies
hatte sich als hilfreich erwiesen, ebenso Pascals Offenheit, mit den Leuten ins
Gespräch zu kommen. Sie erzählten ihm gern ihre Geschichten oder klagten über ihre
Probleme. Auf diese Weise hatte er erfahren, dass der Stadtarzt erst letzt von einem
Gewürzhändler übers Ohr gehauen worden war. Manchmal gestaltete es sich so einfach.
Man musste sein Wissen nur vernünftig nutzen.
    Pascal blieb
am Münster stehen und blickte nach oben, so wie er es bei Jolanthe beobachtet hatte.
Ihr Interesse an dem Gebäude hatte ihn erst auf die Idee gebracht, die vielen filigranen
Bauelemente zu studieren. Die Türmchen, Wasserspeier, Fabelwesen, die Steinbögen,
die sich in unterschiedlicher Form und Größe immer wiederholten, sich überschnitten
oder in die Tiefe staffelten, man konnte sich verlieren in ihrem Anblick. Jolanthe
hatte ihm unbewusst den Zugang zu etwas verschafft, was er als selbstverständlich
wahrgenommen hatte. Ihm gefiel diese Art der Blickrichtung.

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